Psychologe im Gespräch mit einem Klient, Nationales Register | fotolia.com | Jacob Lund © Nationales Register | fotolia.com | Jacob Lund

Pressemitteilung | Medizin und Versorgung

Chronisch krank und gut beraten?

Inanspruchnahme von psychosozialer Unterstützung ist gering

Der Übergang vom Kindes- ins Erwachsenenalter stellt für viele Patienten mit angeborenen Herzfehler eine besondere Hürde dar. Psychosoziale Unterstützung kann helfen. Doch wird sie kaum in Anspruch genommen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler.

Angeborene Herzfehler sind schwere chronische Erkrankungen. Trotzdem schätzen die meisten Patienten mit angeborenem Herzfehler im Alter zwischen zehn und 30 Jahren ihre eigene Gesundheit als gut bis sehr gut ein. Auch fühlen sie sich in ihrem Alltag kaum beeinträchtigt. Beratung durch einen Psychologen oder Sozialarbeiter nehmen nur sehr wenige Patienten in Anspruch. Das ist das Ergebnis einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Studie des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler.

Gefährliche Fehleinschätzung

„Grundsätzlich ist es sehr erfreulich, dass die Patienten ihren Gesundheitszustand so positiv bewerten“, sagt Paul Helm, Psychologe und einer der Autoren der Studie. „Dennoch hat uns das Ergebnis auch beunruhigt. Denn es geht um schwere chronische Erkrankungen, die mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden sind und eine kontinuierliche medizinische Vorsorge und Betreuung erfordern.“ Wird die eigene Gesundheit falsch eingeschätzt und daher die notwendige Gesundheitsvorsorge vernachlässigt, kann das zu lebensbedrohlichen Folgeerkrankungen führen.

Gezielte Beratung und Unterstützung

An der Studie des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler beteiligten sich 587 Registermitgliedern mit leichten und komplexen Herzfehlern sowie 231 Eltern von Patienten. Dabei bewerteten die Eltern den Gesundheitszustand ihrer Kinder sogar noch besser als diese selbst. Auch schätzten die Eltern alltägliche Einschränkungen als geringer ein als die jungen Patienten. Für die Wissenschaftler ein Anzeichen dafür, wie nötig gezielte Beratung und Unterstützung für die Patienten und ihre Angehörigen ist.

Wenn die eigene Erkrankung heruntergespielt wird

Doch noch werden entsprechende Angebote kaum genutzt. Nur 6,5 Prozent der Patienten gaben an, Beratung durch einen Psychologen oder Sozialarbeiter in Anspruch genommen zu haben. Helm hält das für bedenklich. Denn die wenigen Patienten, die sich psychosozial hatten beraten lassen, bewerteten ihre gesundheitliche Situation durchaus realistischer als der Durchschnitt. Und so eine wirklichkeitsnahe Einschätzung ist nach Ansicht des Experten eine wichtige Voraussetzung für die eigene Gesunderhaltung.

Eine mögliche Erklärung für die positive Bewertung durch die Patienten sei, dass man bei einer angeborenen Erkrankung den Unterschied zwischen gesund und krank selbst gar nicht erlebt, vermutet der Psychologe. Zudem belegen die Zahlen der Studie, dass insbesondere Jugendliche dazu neigen, ihre eigene Gesundheit fehleinzuschätzen. „In der Übergangsphase vom Kind zum Erwachsenen leiden viele besonders darunter, vermeintlich nicht mit den Altersgenossen mithalten zu können, und haben Angst, deshalb stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden“, erklärt Helm. „Die eigene Erkrankung wird deshalb oft heruntergespielt.“ 

Alles andere als schwach, uncool oder verrückt

Die Angst vor Stigmatisierung ist es nach Einschätzung der Wissenschaftler auch, die die Patienten und ihre Eltern davon abhält, sich an einen Psychologen oder Sozialarbeiter zu wenden. Dabei kann die gezielte psychosoziale Unterstützung einen wertvollen Beitrag zum positiven Umgang mit der eigenen Erkrankung und damit zur Gesundheit des einzelnen Patienten leisten. „Unser zentrales Ziel ist es daher, in den Köpfen fest zu verankern, dass es alles andere als schwach, verrückt oder uncool ist, sich professionelle Hilfe zu holen“, wünscht sich Dr. Ulrike Bauer, Ärztin und Geschäftsführerin des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler. Denn von sich aus geeignete Hilfe anzufordern, ist ein entscheidender Schlüssel zu einer guten Lebensqualität, so die Medizinerin. Adressen von seriösen Unterstützungsangeboten gibt es beim behandelnden Arzt und beim Bundesverband Herzkranke Kinder e.V. (BVHK).

Pressematerialien

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