Die Einnahme so genannter direkter oraler Antikoagulantien (DOAKs) sollte engmaschig überwacht werden., iStockphoto.com | AlinaTraut © iStockphoto.com | AlinaTraut

Pressemitteilung | Medizin und Versorgung

Gerinnungshemmer bei angeborenen Herzfehlern

Größte Studie weltweit weist auf Risiken bei DOAKs hin

Jeder achte Patient mit angeborenem Herzfehler ist auf Gerinnungshemmer angewiesen. Doch ihre Einnahme ist mit Risiken verbunden. Eine neue Studie am Kompetenznetz Angeborene Herzfehler rät zum vorsichtigeren Einsatz direkter oraler Antikoagulantien.

Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Herzklappenerkrankungen und Gefäßverschlüsse durch Blutgerinnsel: Laut einer aktuellen Langzeitstudie, die in Kooperation mit der Barmer Krankenversicherung von Forschern des Universitätsklinikums Münster am Kompetenznetz Angeborene Herzfehler durchgeführt wurde, erhält in Deutschland jeder achte Patient mit einem angeborenen Herzfehler blutverdünnende und gerinnungshemmende Präparate, um das Risiko zu verringern, an einer solchen Komplikation zu erkranken oder gar zu versterben. Allerdings kann die Einnahme dieser Medikamente zu problematischen Neben- und Wechselwirkungen führen.

DOAKs auch bei angeborenen Herzfehlern auf dem Vormarsch

Lange Zeit wurde bei angeborenen Herzfehlern überwiegend mit so genannten Vitamin-K-Antagonisten (VKAs) behandelt. Diese Wirkstoffe, bekannt etwa unter den Handelsnamen Wafarin® oder Marcumar®, unterbinden in der Leber die Bildung bestimmter Gerinnungsfaktoren. Ihre Anwendung ist jedoch durch zahlreiche Interaktionen beim Um- und Abbau der Substanz durch körpereigene Enzyme erschwert. Die Präparate erfordern eine regelmäßige Gerinnungskontrolle. So stehen die VKAs in Wechselwirkung zu Vitamin K haltigen Lebensmitteln und verschiedenen Medikamenten.

Umso größer waren die Erwartungen an direkte orale Antikoagulantien (DOAKs) wie zum Beispiel Eliquis®, Pradaxa®, Lixiana® und Xarelto®. Die seit 2010 am Markt erhältlichen antithrombotischen Medikamente hemmen anders als die VKAs direkt bestimmte Gerinnungsfaktoren und wirken damit schneller. Die Notwendigkeit einer regelmäßigen Gerinnungskontrolle entfällt. Die Wechselwirkungen beschränken sich auf andere Wirkstoffe, die die Blutgerinnung beeinflussen. Zu den häufigen unerwünschten Wirkungen zählen auch hier Blutungen.

Weltweit größte Studie mahnt zu Vorsicht

Seit die neuen Antikoagulantien zur Verfügung stehen, stieg ihre Verwendung auch bei angeborenen Herzfehlern stetig an. Schon 2018 lag laut Studie der Anteil der DOAKs an den bei angeborenen Herzfehlern verschriebenen Antikoagulantien bei 45 Prozent. Doch Vorsicht ist geboten. Anerkannte randomisierte kontrollierte Studien haben bislang lediglich die guten Ergebnisse und Eigenschaften der DOAKs im Vergleich zu VKAs bei erworbenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen nachgewiesen. Die Auswirkungen bei angeborenen Herzfehlern dagegen waren bislang unerforscht.

Auf Basis von anonymisierten Daten der Barmer Krankenversicherung hat die Forschergruppe um den Kardiologen und EMAH-Spezialisten Paul Gerhard Diller vom Universitätsklinikum Münster daher die Zusammenhänge der Therapie mit Gerinnungshemmern und im Langzeitverlauf auftretenden Komplikationen und Sterbefällen bei rund 44.000 Patientinnen und Patienten untersucht und die Risiken genauer ermittelt.

Die in ihrem Umfang weltweit einzigartige Studie belegt, dass die mit der Einnahme von DOAKs verbundenen Risiken bei angeborenen Herzfehlern mit ihren anatomischen und physiologischen Besonderheiten deutlich höher liegen als bei erworbenen Herzerkrankungen. „Die Einnahme von DOAKs ist mit größeren Risiken verbunden als bislang angenommen“, sagt Gerhard-Paul Diller.

Ersehnte Alternative kann zur tödlichen Falle werden

Bei Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern, die DOAKs erhielten, sei es bereits im Verlauf der ersten Therapiejahres häufiger zu Gefäßverschlüssen durch Blutgerinnsel, Blutungen, Herzrhythmusstörungen und Herzinsuffizienzen gekommen als bei den Patienten , die mit VKA-Präparaten behandelt worden ist, öfter auch mit tödlichem Ausgang.

Ein ähnliches Bild zeige sich auch in der Langzeitbeobachtung des Zusammenhangs von Therapieplänen und Diagnosen. „Dass der Gerinnungsstatus bei den DOAKs nicht überwacht werden muss, führt dazu, dass die Patienten nicht engmaschig genug beobachtet werden“, so Gerhard Paul Diller.

Vor dem Hintergrund der Studienergebnisse sei gründlich zu prüfen, ob bei Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern anstelle der lange ersehnten Alternativen nicht eher VKAs in Betracht gezogen werden sollten. Zudem sollte auch eine Behandlung mit DOAKs unbedingt durch spezialisierte Kardiologinnen und Kardiologen an entsprechenden Zentren begleitet werden.

Die Studie wurde von der EMAH Stiftung Karla Völlm gefördert. Sie ist Teil des vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses G-BA getragenen Forschungsprojektes OptAHF.

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    Die Einnahme so genannter direkter oraler Antikoagulantien (DOAKs) sollte engmaschig überwacht werden. © iStockphoto.com | AlinaTraut
    Die Einnahme so genannter direkter oraler Antikoagulantien (DOAKs) sollte engmaschig überwacht werden.

    Die Ergebnisse der Studie im Rahmen des Forschungsprojektes OptAHF wurden unter dem Titel „Current use and safety of novel oral anticoagulants in adults with congenital heart disease: Results of a nationwide analysis including more than 44,000 patients“ im European Heart Journal veröffentlicht.

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