DNAs aus Blutproben des Nationalen Registers halfen bei dieser Studie., Wolfram Scheible für Nationales Register © Wolfram Scheible für Nationales Register

Genetik

Genkopien in der DNA

Familiären Herzfehlern auf der Spur

Wissenschaftlicher Name der Studie

Identifizierung von „Copy number variations“ bei familiären angeborenen Herzfehlern

Genetisch gesehen sind wir Menschen uns alle ziemlich ähnlich: 99,9 Prozent des menschlichen Genoms, das heißt der Gesamtzahl aller Gene, sind bei uns allen gleich. Nur die restlichen 0,1 Prozent variieren. Diese Variationen sind verantwortlich für unsere Einzigartigkeit als Individuum: unsere Körperform, Größe und Augenfarbe. Verantwortlich sind sie auch für die Neigung zu bestimmten Erkrankungen.

Dazu zählen etwa besondere angeborene Herzfehler, die zu den so genannten linksseitigen angeborenen Herzfehlern (LS-CHD) gehören. Das Spektrum dieser Fehlbildungen reicht von der bikuspiden Aortenklappe über die Aortenstenose bis zum hypoplastischen Linksherzsyndrom mit familiärer Häufung.

Über die genetischen Zusammenhänge hinter diesen angeborenen Herzfehlern ist noch wenig bekannt. Eine Gruppe von Wissenschaftlern am Kompetenznetz Angeborene Herzfehler hat mehr dazu herausgefunden.

Individuelle Abweichungen in der Anzahl der DNA-Kopien

Es gibt alle möglichen Arten von Variationen in unseren Genen. Eine mögliche Form der genetischen Variation in der DNA eines Menschen bezeichnen die Forscher als Copy-number variations, kurz: CNV. Das sind jeweils einzigartige Abweichungen der Anzahl der Kopien von Genen innerhalb des Genoms.

Aus dem Biologieunterricht wissen die meisten noch, dass jedes Gen in zwei Kopien vorliegt, je einer Kopie pro Chromosomensatz. Wissenschaftler haben erst vor wenigen Jahren entdeckt, dass manche Gene in nur einer Kopie (Gen-Deletion), aber auch in drei, vier oder mehr Kopien (Gen-Duplikation) vorkommen. Gene können auch vollständig fehlen (homozygote Gen-Deletion). Diese individuellen Abweichungen in der Kopienzahl der Gene beschreiben einen Teil der Einzigartigkeit jedes Menschen.

Auf der Suche nach den Mustern

Dazu, welchen Einfluss die Copy-number variations auf die Entstehung von Erkrankungen haben, war wenig bekannt. Vermutet wurde, dass diese Abweichungen Auswirkungen auf die Veranlagung eines Menschen für bestimmte angeborene Herzfehler haben. Dieser Annahme ist das Forscherteam um Marc-Phillip Hitz und Sabine Klaassen im Rahmen der internationalen Studie „Identifizierung von „Copy-number variations“ bei familiären angeborenen Herzfehlern“ weiter auf den Grund gegangen.

Vater, Mutter, Kind

Dafür untersuchten die Wissenschaftler das Genom von Familien (Vater-Mutter-Kind), deren Kind an einem linksseitigen angeborenen Herzfehler erkrankt ist, darunter auch das Genom von Patienten, die sich im Nationalen Register für angeborene Herzfehler angemeldet und ihre Proben gespendet hatten. Für die Analysen arbeiteten Marc-Phillip Hitz und Sabine Klaassen mit Kollegen am Sainte Justine Hospital in Montreal, Kanada zusammen.

Störung bei der Bildung der Blutgefäße

Die Forscher identifizierten 25 neue Gene, die eine Rolle bei der Entstehung der linksseitigen angeborenen Herzfehlbildungen (LS-CHD) spielen. Die Forscher schätzen, dass einzigartige Kopienzahlvarianten an der Krankheitsentstehung in mindestens 10 Prozent der seltenen schwerwiegenden Herzfehlbildungen beteiligt sind. Zudem ließen sich durch diese Studie einzelne, bisher noch nicht beschriebene Gene mit der Herzfehlerentstehung in einen Zusammenhang stellen. In weiteren Experimenten kann so die Bedeutung dieser Gene bei der Herzfehlerentstehung beleuchtet werden.  

  • Hintergrund: Wissenschaftliche Details zur Studie

    Identifizierung von „Copy number variations“ bei familiären angeborenen Herzfehlern

    Angeborene Herzfehler sind die häufigsten Fehlbildungen bei allen Neugeborenen und eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität in westlichen Ländern. Linksseitige angeborene Herzfehler (LS-CHD) umfassen ein Spektrum, das von der bikuspiden Aortenklappe bis zur Aortenstenose und dem hypoplastischen Linksherzsyndrom mit familiärer Clusterbildung reicht. Bis heute sind die genetischen Ursachen für LS-CHD bei der Mehrzahl der Patienten unbekannt. Um die Auswirkungen der strukturellen genomischen Variation in Multiplex-Familien mit LS-CHD zu bestimmen, suchten wir einzigartige oder seltene Kopienzahlvarianten, die nur bei betroffenen Mitgliedern einer Multiplex-Familienkohorte vorhanden waren (N total = 464, N betroffene Mitglieder = 174 (37,5 Prozent)) und bei 1.582 Kontrollen von Menschen fehlten, die keine LS-CHD aufweisen. Ein stringenter Filter, der auf einer in-silico Priorisierung und Genexpressionsanalyse während der Entwicklung basiert, erlaubte es uns, Gene zu identifizieren, die mit LS-CHD assoziiert sind. Unsere Studie ergab 25 neue Kandidatengene für LS-CHD wie SMC1A, MFAP4 und CTHRC1 und überlappte mit bekannten syndromalen Loci. Wir schätzen, dass einzigartige Kopienzahl-Varianten in mindestens 10 Prozent der Fälle zu einer linksseitigen angeborenen Herzfehlbildung beitragen, wobei ein Gen-Gehalt auf breitere Störungen der Angiogenese hindeutet, welche der Erkrankung zu Grunde liegen.

    Erfahren Sie mehr zum Studiendesign, den Materialien und Methoden, sowie zu den Hintergründen der Studie:

    Publikationen

    • 9/2012

      Rare copy number variants contribute to congenital left-sided heart disease.

      Hitz MP, Lemieux-Perreault LP, Marshall C, Feroz-Zada Y, Davies R, Yang SW, Lionel AC, D'Amours G, Lemyre E, Cullum R, Bigras JL, Thibeault M, Chetaille P, Montpetit A, Khairy P, Overduin B, Klaassen S, Hoodless P, Awadalla P, Hussin J, Idaghdour Y, Nemer M, Stewart AF AF, Boerkoel C, Scherer SW, Richter A, Dubé MP, Andelfinger G, Hitz MP, Lemieux-Perreault LP, Marshall C, Feroz-Zada Y, Davies R, Yang SW, Lionel AC, D'Amours G, Lemyre E, Cullum R, Bigras JL, Thibeault M, Chetaille P, Montpetit A, Khairy P, Overduin B, Klaassen S, Hoodless P, Awadalla P, Hussin J, Idaghdour Y, Nemer M, Stewart AFR, Boerkoel C, Scherer SW, Richter A, Dubé MP, Andelfinger G

      PLoS genetics 8, 9, e1002903, (2012). Diese Publikation bei PubMed anzeigen.

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