Angeborene Herzfehler gehören in Spezialistenhände bis ins hohe Alter., iStockphoto.com | mgstudyo © iStockphoto.com | mgstudyo

Medizin und Versorgung

Ab 18 bitte zum EMAH-Spezialisten!

Folgeerkrankungen bei jungen Erwachsenen mit AHF

Wissenschaftlicher Name der Studie

Endangered patients with congenital heart defect during transition – Germany-wide evaluation of medical data from National Register for Congenital Heart Defects (NRCHD)

Mit einem angeborenen Herzfehler lässt es sich heute in den meisten Fällen gut erwachsen werden. Für Gesundheit und Lebensqualität bis ins hohe Alter ist allerdings eine durchgehende spezialisierte Versorgung entscheidend.

Wer einen angeborenen Herzfehler (AHF) hat und demnächst 18 wird, darf „eins vorrücken“: zum EMAH-Spezialisten, einem der rund 350 Kinderkardiologen und Kardiologen mit Zusatzqualifikation für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) in deutschen EMAH-Zentren, EMAH-Schwerpunktkliniken und EMAH-Schwerpunktpraxen. Ratsam ist grundsätzlich, sich auch in der „Übergangsphase“ ab 15 regelmäßig bei einem Spezialisten vorzustellen.

Das gilt selbst bei leichten angeborenen Herzfehlern. Denn mit zunehmendem Alter können sich lebensbedrohliche Folgeerkrankungen einstellen. Und zwar auch solche, die nicht immer bemerkt werden oder sofort Symptome verursachen. Zudem nehmen im Laufe eines Lebens weitere Herz-Kreislauf-Erkrankungen und auch nicht herzbedingte Krankheiten zu. Bei einem angeborenen Herzfehler haben diese oftmals deutlich schwerwiegendere Auswirkungen als bei einem „normal“ gesunden Herzen. Auch Schwangerschaften verlaufen bei angeborenen Herzfehlern anders.

Riskanter Abbruch

Trotzdem suchen viele Jugendliche und junge Erwachsene keinen EMAH-Spezialisten auf oder gehen nicht rechtzeitig zu einem. Gerade der Übergang zum Erwachsenenalter stellt eine Hürde dar. „Ausbildungs-, Berufs- oder Studienbeginn, Wohnortwechsel, erste Partnerschaft, fehlendes Wissen, Hemmungen, zum Spezialisten zu wechseln oder überhaupt zum Arzt zu gehen, das ist in etwa die Reihenfolge der Begründungen“, weiß Julia Remmele.

Dass ein angeborener Herzfehler als lästig empfunden und lieber verdrängt wird, findet die Wissenschaftlerin am Deutschen Herzzentrum München „nachvollziehbar, aber nicht empfehlenswert“. Wie riskant der häufige Abbruch einer spezialisierten Weiterbehandlung im jungen Erwachsenenalter ist, zeigt ihre aktuelle Studie am Kompetenznetz Angeborene Herzfehler.

Gut leben bis ins hohe Alter?

Was kann schon passieren, wenn man jung ist und einen gut korrigierten angeborenen Herzfehler hat? Viel! Die Auswertung der medizinischen Daten von insgesamt 8.834 Teilnehmenden des Nationalen Registers im Alter zwischen 15 und 25 ergab, dass rund ein Viertel (25,5 Prozent) der jungen Patientinnen unter Herzrhythmusstörungen leiden. Mit 4,5 Prozent ist Lungenhochdruck die zweithäufigste diagnostizierte Folgeerkrankung in der Altersgruppe, gefolgt von Bluthochdruck (3,6 Prozent).

„Dies sind Erkrankungen mit einem hohen Risikopotenzial bei angeborenen Herzfehlern und daher Fälle für EMAH-Spezialisten. Die Gefahr lebensbedrohlicher kardialer Ereignisse durch solche Komplikationen steigt, wenn diese nicht frühzeitig erkannt werden“, warnt Ulrike Bauer, Geschäftsführerin des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler und des Nationalen Registers.

Dass man bei einem erfolgreich korrigierten Herzfehler doch so gut wie herzgesund sei, lässt die erfahrene Ärztin nicht gelten. „Ein angeborener Herzfehler bleibt. Und nur wenn ich mich regelmäßig beim Spezialisten vorstelle und um meine Herzgesundheit kümmere, kann ich bis ins hohe Erwachsenenalter gut damit leben.“

Weitere Diagnosen

Untersucht haben die Forscherinnen und Forscher die medizinischen Daten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit unterschiedlichen angeborenen Herzfehlern aller drei Schweregrade. 23,4 Prozent von ihnen hatten einen leichten, 45,1 Prozent einen mittelschweren und 31,5 Prozent einen komplexen Herzfehler. Die häufigste Erstdiagnose war ein Vorhofseptumdefekt (14,9 Prozent), gefolgt von einem Ventrikelseptumdefekt (12,8 Prozent) und einer Fallot-Tetralogie (10,5 Prozent).

Zu den Folgeerkrankungen eines angeborenen Herzfehlers gesellen sich in der Altersgruppe auch weitere Diagnosen. Der Studie zufolge lagen bei 7,3 Prozent der 15- bis 25-jährigen Patienten neurologische Erkrankungen vor, gefolgt von Erkrankungen des Bewegungsapparates mit 6,9 Prozent und psychischen Erkrankungen mit 5,6 Prozent.

AHF gehören in geschulte Hände

„Insgesamt haben wir in der Phase zwischen dem 15. und dem 25. Lebensjahr bereits bis zu vier kardiale Folgeerkrankungen und sieben nicht-kardiale Erkrankungen pro Patient festgestellt“, fasst Studien-Erstautorin Julia Remmele zusammen. Die Forscher hoffen, dass die Dringlichkeit der lückenlosen spezialisierten Nachbehandlung tiefer ins Bewusstsein der Patienten und auch der behandelnden Ärzte rückt. „Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern gehören eindeutig in die geschulten Hände von EMAH-zertifizierten Fachärzten, die das weite Feld möglicher Komplikationen im Erwachsenenalter überblicken und wissen, was zu tun ist, um gefährliche Gesundheitsrisiken abzuwenden“, sagt Ulrike Bauer.

  • Wissenschaftliche Details zur Studie

    Erfahren Sie mehr zum Studiendesign, den Materialien und Methoden, sowie zu den Hintergründen der Studie:

    Publikationen

    • 1.12.2021

      Endangered patients with congenital heart defect during transition-Germany-wide evaluation of medical data from National Register for Congenital Heart Defects (NRCHD).

      Remmele J, Schiele S, Oberhoffer-Fritz R, Ewert P, Bauer UMM, Helm PC

      Cardiovascular diagnosis and therapy 11, 6, 1284-1294, (2021). Diese Publikation bei PubMed anzeigen.

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