Menschen mit angeborenen Herzfehlern haben ein erhöhtes Endokarditisrisiko., iStockphoto.com | Best_shop © iStockphoto.com | Best_shop

Medizin und Versorgung

Endokarditis nach Pulmonalklappenersatz

Weltweit größte Studie zeigt Risiken auf

Wissenschaftlicher Name der Studie

Nationwide Registry-Based Analysis of Infective Endocarditis Risk After Pulmonary Valve Replacement

Menschen mit angeborenen Herzfehlern haben ein höheres Risiko, an einer infektiösen Endokarditis zu erkranken, als herzgesunde Menschen. Die Entzündung der Herzinnenhaut und der Herzklappen ist gefährlich. In einigen Fällen endet eine Endokarditis trotz Behandlung tödlich. Die in der Regel durch Bakterien, seltener durch Pilze, ausgelöste Erkrankung ist zugleich eine der häufigeren Komplikationen nach Ersatz der Pulmonalklappen. Etwa jeder zehnte angeborene Herzfehler erfordert mindestens einen solchen Eingriff. Eine bundesweite Studie hat das Endokarditis-Risiko nach Klappenersatz erstmals umfassend untersucht.

  • Gut zu wissen

    Was passiert bei einem Pulmonalklappenersatz?

    Die Pulmonalklappe verbindet die rechte Herzkammer mit der Lungenschlagader. Durch sie fließt das sauerstoffarme Blut vom Herzen in den Lungenkreislauf, damit es in der Lunge wieder ausreichend Sauerstoff aufnehmen kann, um den Körper zu versorgen.

    Wenn die Pulmonalklappe ersetzt werden muss, kann dies entweder durch eine Operation oder Katheterintervention geschehen. Bei der Katheterintervention wird die Klappe über ein Blutgefäß bis zum Herzen gebracht und dort eingesetzt. Es stehen eine Vielzahl an Pulmonalklappenersätzen zur Verfügung, die sich in Material und Aufbau unterscheiden. Die Klappen stammen dabei entweder von einem menschlichen Organspender (Homografts) oder vom Tier (Heterografts) oder sind aus künstlichem Material (mechanische Klappen) gefertigt.

    Weil noch kein Klappenersatz mit dem Herzen mitwachsen kann und weil er durch die dauernde Beanspruchung nach einigen Jahren oft nicht mehr gut funktioniert, muss er je nach seiner Art und je nach Alter der Patientin oder des Patienten im Laufe der Zeit erneuert werden. Dazu bedarf es einer erneuten Operation oder Intervention.

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Weltweit größte retrospektive Analyse

Das Forscherteam wertete die medizinischen Daten von 1.171 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Nationalen Registers im Alter zwischen 0 und 81 Jahren aus, die mindestens einen Pulmonalklappenersatz erhalten haben. Über einen Zeitraum von im Durchschnitt 10 Jahren pro Patientin und Patient beobachteten die Forscherinnen und Forscher, wie sich Alter, Geschlecht, Häufigkeit der Erneuerung der Pulmonalklappen, Zeitpunkt und Art des Eingriffs sowie verwendete Klappenarten auf das Risiko auswirken, an einer Endokarditis zu erkranken.

„Bisherige Erkenntnisse dazu gingen auf Daten aus vergleichsweise kleinen Kohorten zurück. Mit Unterstützung des Nationalen Registers und des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler konnten wir erstmals in einem breiten Anteil der Bevölkerung nachbeobachten, wie sich die Gesundheit der Patienten nach einer Klappenimplantation durch eine Katheterintervention oder Operation entwickelte“, erläutert Clara Stammnitz, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchführte. Während des Beobachtungszeitraums konnten die Daten von 1.598 Pulmonalklappenersätzen ausgewertet werden. Erfasst wurden alle Fälle einer Endokarditis in den Jahren 2007 bis 2017, die im Zusammenhang mit einem Pulmonalklappenersatz auftraten.

Klappenersatz aus der Halsvenenklappe vom Rind stellt besonderes Risiko dar

Dabei zeigte sich, dass bei der infektiösen Endokarditis vor allem drei Risikofaktoren im Spiel sind. Männliche Patienten hatten ein höheres Risiko, an einer Endokarditis zu erkranken, als weibliche. Dieses Risiko stieg bei einer höheren Anzahl an erforderlichen Klappenersatz-Implantationen pro Patient zusätzlich. Zeitpunkt und Art des Eingriffs sowie die Größe des Implantats spielten indes keine Rolle. Ein besonderes Risiko stellte jedoch der biologische Pulmonalklappenersatz aus Material der Halsvene vom Rind dar. „Der Einsatz von Contegra- und Melody-Klappen stand in Zusammenhang mit einem erhöhten Auftreten der Endokarditis“, sagt Clara Stammnitz.

  • Ergebnisse in Zahlen

    Jeder zwanzigste Patient erkrankte an einer Endokarditis

    Menschen mit angeborenen Herzfehlern haben ein erhöhtes Endokarditisrisiko. © iStockphoto.com | Best_shop
    Menschen mit angeborenen Herzfehlern haben ein erhöhtes Endokarditisrisiko.

    Insgesamt erkrankten 4,8 Prozent aller Patientinnen und Patienten nach Pulmonalklappenersatz an einer Endokarditis. Von den unter 18-Jährigen waren es sogar 5,3 Prozent. Rund ein Drittel der Erkrankungen wurde dabei durch Staphylokokken ausgelöst, gefolgt von Streptokokken als zweithäufigstem Erreger.

    Nach einer Homograft-Implantation entwickelten sieben von 558 Patientinnen und Patienten eine durch Infektion hervorgerufene Endokarditis. Das entspricht 1,3 Prozent. Von 723 Patienten, die ein Heterograft-Implantat erhalten hatten, entwickelten 4,3 Prozent der Patienten, in Zahlen 31, eine Endokarditis. Und 7,5 Prozent (18 von 241) erkrankten nach einer Melody-Klappen-Implantation. Bei Edwards-Sapien-Klappen und mechanischen Klappen, die insgesamt jedoch seltener eingesetzt wurden, kam es dagegen zu keiner Endokarditis.

    Das Endokarditis-Risiko war bei Contegra-Klappen und Melody-Klappen gleichermaßen erhöht. Beide biologische Klappen bestehen aus Material der Halsvenenklappe vom Rind und standen am häufigsten in Verbindung mit der Entwicklung einer Endokarditis, und zwar unabhängig von der Art ihres Einsatzes, entweder chirurgisch oder per Katheterintervention.

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Zu den Ursachen müsse allerdings noch genauer geforscht werden, sagt Sabine Klaassen. „Da sich im Ergebnis kein Unterschied des Endokarditis-Risikos zwischen Patientinnen und Patienten mit einem operativen und einem interventionellen Klappenersatz feststellen ließ, nehmen wir an, dass das erhöhte Auftreten einer Endokarditis bei Contegra- und Melody-Klappen mit der Herkunft ihres Materials aus der Halsvenenklappe des Rindes zusammenhängt. Zugleich zeigte sich, dass das Risiko einer Erkrankung mit der Anzahl notwendiger Re-Operationen steigt“, so die Studienautorin und Charité Ärztin weiter. Die Klappenersätze von menschlichen Spendern (Homografts) sowie Klappenersätze aus anderen tierischen Materialien (Heterografts), etwa aus dem Herzbeutel des Rinds, zeigten dagegen ein sehr geringes Infektionsrisiko.


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