Eine Herzmuskelentzündung bei Kindern und Jugendlichen erfordert eine besondere Diagnostik und Therapie., stock.adobe.com | andriano_cz © stock.adobe.com | andriano_cz

Medizin und Versorgung

Herzmuskelentzündung altersgerecht einschätzen

Erste Kontrollgruppe für diagnostische Standards bei Kindern

Wissenschaftlicher Name der Studie

First paediatric cohort for the evaluation of inflammation in endomyocardial biopsies derived from congenital heart surgery.

Eine Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskelgewebes. In den westlichen Industrieländern zählen Viren zu den Hauptverursachern der Erkrankung. Die Myokarditis kann in jedem Lebensalter auftreten. Kinder unter zwei Jahren leiden dabei häufig unter schweren Krankheitsverläufen mit akuter Herzschwäche. Auch ist ihr Risiko, an der Erkrankung zu versterben deutlich höher als bei erwachsenen Patienten. Um dieses Risiko einzudämmen, sind Kinder und Jugendliche auf eine altersgerechte Diagnostik angewiesen, die das rechtzeitige intensivmedizinische Eingreifen bis hin zu einer Herztransplantation sichert.

Bei einer Myokarditis sammeln sich Lymphozyten im Gewebe an. Wie eine wachsende Armee dringen diese Bestandteile der weißen Blutkörperchen in das Gewebe ein, um die Krankheitserreger abzuwehren. Eine solche „Infiltration“ des Herzmuskelgewebes durch eine erhöhte Anzahl dieser Abwehrzellen deutet folglich auf eine Herzmuskelentzündung hin. Die Entnahme und Untersuchung von Gewebeproben aus dem Herzmuskel, die sogenannte Endomyokardbiopsie (EMB), gilt daher als Goldstandard für die Diagnose der Myokarditis bei Kindern und Erwachsenen.

MYKKE-Register sorgt für diagnostische Grundlage

Um bei einer EMB eine kritisch erhöhte Anzahl und Aktivität der Lymphozyten sicher feststellen zu können, benötigen die Ärzte verlässliche Vergleichswerte von nicht erkrankten Menschen. Die von der Weltgesundheitsorganisation und der Internationale Gesellschaft und Föderation Kardiologie vorgegebenen Vergleichswerte, kurz WHO/ISFC Kriterien, für diese lymphozytären Zellinfiltrate beruhen jedoch auf Untersuchungen des Herzmuskelgewebes bzw. Myokards von Erwachsenen. Durch das MYKKE-Register ist es nun erstmals gelungen, genügend Gewebeproben von jungen Patienten für einen Abgleich zu sammeln, der die Beurteilung der Entzündung in der besonders betroffenen jungen Altersgruppe erleichtert.

Dazu wurde das Endomyokardgewebe von 62 Kindern unter 4 Jahren untersucht, die einen angeborenen Herzfehler haben. Es war routinemäßig während einer notwendigen Operation am offenen Herzen, meist aus dem rechten Ventrikel, entnommen worden. Bedingung war, dass die Patienten keinerlei Vorgeschichte an Infektionen oder Herzmuskelentzündungen aufwiesen. „Wir haben ihr Herzmuskelgewebe auf die Anzahl der bei entzündlichen Vorgängen aktiven Zellen der Immunabwehr – CD3+ T-Zellen, CD20+ B-Zellen, CD68+ Makrophagen – und auf das dabei wirksame Molekül MHC II hin untersucht“, erläutert Karin Klingel, Akademische Direktorin am Universitätsklinikum Tübingen und Leiterin der Kardiopathologie und Infektionspathologie.

Entscheidender Fortschritt im Kampf gegen die Herzmuskelentzündung

Dabei fanden die Forscherinnen und Forscher heraus, dass die Lymphozyten-Anzahl bei Kindern ohne Herzmuskelentzündung geringer ist als bei Erwachsenen ohne Herzmuskelentzündung. Für das Team um Karin Klingel und Franziska Seidel eine wichtige Erkenntnis. „Im Grunde haben wir hier zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen. Zum einen liefert unsere Studie einen entscheidenden Hinweis für die Einschätzung und Behandlung bei Kindern und Jugendlichen. Zum anderen existiert jetzt überhaupt eine erste pädiatrische Kontrollkohorte für die weitere Erforschung der Herzmuskelentzündung“, fasst Franziska Seidel, Studienärztin am Deutschen Herzzentrum Berlin, zusammen. Angesichts der insbesondere für die junge Altersgruppe bedrohlichen Diagnose ist das ein entscheidender Fortschritt für die Verbesserung von Therapie und Vorhersage des Krankheitsverlaufs.

  • Wissenschaftliche Details zur Studie

    Erfahren Sie mehr zum Studiendesign, den Materialien und Methoden, sowie zu den Hintergründen der Studie:

    Publikationen

    • 15.3.2020

      First paediatric cohort for the evaluation of inflammation in endomyocardial biopsies derived from congenital heart surgery.

      Degener F, Salameh A, Manuylova T, Pickardt T, Kostelka M, Daehnert I, Berger F, Messroghli D, Schubert S, Klingel K

      International journal of cardiology 303, 36-40, (2020). Diese Publikation bei PubMed anzeigen.

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