Ärztin misst die Körperlänge eines Säuglings., fotolia.com | RioPatuca Images © fotolia.com | RioPatuca Images

Medizin und Versorgung

Kein Aufholwachstum bei Herzkindern

Engmaschige Beobachtung erforderlich

Wissenschaftlicher Name der Studie

Somatic Development in Children with Congenital Heart Defects

Eine umfassende Studie des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler belegt: Herzkinder sind kleiner. Dabei besteht für sie ein erhöhtes Risiko, langfristig in ihrer geistigen, körperlichen und psychomotorischen Entwicklung beeinträchtigt zu sein.

Dass ein angeborener Herzfehler die körperliche Entwicklung eines Kindes beeinflusst, ist naheliegend. Nur wie genau? Welche Rolle spielt die Herz-OP? Und auf welche weiteren Faktoren ist besonders zu achten? Um das beurteilen zu können, benötigen Mediziner Anhaltspunkte für die Entwicklung von Kopfumfang, Körpergewicht und Körperlänge der Patienten. Solche Anhaltspunkte haben Forscher des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler in einer der größten klinischen Vergleichsstudien ermittelt, die es je auf diesem Gebiet gegeben hat.

KiGGS und Berliner Längsschnittstudie lieferten Vergleichsdaten

Verglichen hat das Forscherteam um Studienleiter Martin Poryo an der Klinik für Pädiatrische Kardiologie der Universität des Saarlandes die Langzeitentwicklung von 2.818 im Rahmen der PAN-Studie des Kompetenznetzes erfassten Patienten mit den in zwei weiteren Studien ermittelten Normwerten von Kindern und Jugendlichen.

Dazu zogen die Wissenschaftler die KiGGS-Studie des Robert Koch-Instituts zur gesundheitlichen Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland und die Berliner Längsschnittstudie von 2016 heran. Die Wachstumsstudie zur altersabhängigen körperlichen Entwicklung von Kindern zwischen 0 und 6 Jahren war im Rahmen des Forschungsprojektes Deutsche Sprachentwicklungsstudie mit Unterstützung des Deutschen Zentrums für Wachstum, Entwicklung und Gesundheitsförderung im Kindes- und Jugendalter e. V. (DeuZ-W.E.G.) durchgeführt worden.

Unterhalb der Normwerte

Der Vergleich mit den Normwerten aus beiden Studien ergab, dass sich Kopfumfang, Körpergewicht und Körperlänge von Kindern mit moderaten bis schweren angeborenen Herzfehlern deutlich unterhalb der Normwerte bewegen. Auch konnten die Forscher feststellen, dass sich ein notwendiger Eingriff am Herzen auf die körperliche Entwicklung auswirkt.

„Kinder, die einer Herz-OP unterzogen werden mussten, zeigten sich in ihrer Entwicklung deutlich beeinträchtigter, als solche die keine Herz-OP benötigen", sagt Martin Poryo. Dabei fanden die Wissenschaftler keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Werte im Laufe der körperlichen Weiterentwicklung wieder an den Normbereich annähern. „Ein solches Aufholwachstum konnte nicht beobachtet werden“, so der Kinderkardiologe.

  • Hintergrund

    Forschungsgrundlage PAN-Studie

    Angeborene Herzfehler in Deutschland

    Mit dem Bild warb das Kompetenznetz um Studienteilnehmer für die PAN-Studie. Bundesweit konnten die Daten von rund 20.000 Patienten erfasst werden.

    Für die repräsentative Datengrundlage der im Januar 2018 unter dem Titel „Somatic Development in Children with Congenital Heart Defects“ veröffentlichten Studie sorgte die 2006 bis 2009 durchgeführte PAN-Studie des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler zur Häufigkeit der Grunderkrankung. Im Rahmen der PAN-Studie (Prävalenz angeborener Herzfehler bei Neugeborenen in Deutschland) war bundesweit erstmals prospektiv die Häufigkeit angeborener Herzfehler bei Neugeborenen ermittelt worden.

    Dabei erfassten und analysierten die Wissenschaftler über einen Zeitraum von vier Jahren hinweg umfangreiche Daten zum Herz-Fehlbildungsgeschehen von Neugeborenen aus mehreren aufeinander folgenden Geburtsjahrgängen.

    An der PAN-Studie nahmen flächendeckend kinderkardiologische Kliniken, Kinderkliniken und kinderkardiologische Arztpraxen aus ganz Deutschland teil.

    Die Ergebnisse lieferten wichtige Hinweise auf grundlegende Defizite in der medizinischen Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern.

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Gesundheitsrisiko Mikrozephalie

Die Studie des Kompetenznetzes zur körperlichen Entwicklung von Kindern mit angeborenen Herzfehlern ergab zudem, dass die Patienten häufiger zu einer Mikrozephalie neigen. In stärkerem Maße betroffen sind Kinder, die sich einer Herz-OP unterziehen mussten. Die Ergebnisse belegen aus Sicht der Wissenschaftler einmal mehr, wie wichtig eine frühe Diagnose und die rechtzeitige Korrektur des Herzfehlers sind.

Da ein abnorm kleiner Kopfumfang mit einer langfristig beeinträchtigten neurologischen und psychomotorischen Entwicklung einhergehen kann, sollten Kinder mit angeborenen Herzfehlern kontinuierlich und engmaschig auf neurologische Auffälligkeiten hin beobachtet werden.

Darüber hinaus raten die Forscher dringend zu einer gezielten Förderung der körperlichen Entwicklung bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern. „Sprache, Motorik, Koordination und Reaktionsvermögen entwickeln sich bei Herzkindern anders. Eine spezialisierte Vorsorge ist daher auch über den Rahmen der U1 bis U9 hinaus unbedingt anzuraten.

Unsere Ergebnisse sprechen außerdem für einen dringenden Bedarf an individuellen Lern- und Bewegungsangeboten, die jedes Kind nach seinen besonderen Fähigkeiten fördern“, fasst Martin Poryo zusammen.


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