Bildgebende Verfahren, EKG und Blutuntersuchung gehören zur Diagnostik bei einer Herzmuskelentzündung., iStockphoto.com | isayildiz © iStockphoto.com | isayildiz

Genetik

Myokarditis: Gendefekte bei Kindern entdeckt

Neue Erkenntnisse für Diagnostik und Behandlung

Wissenschaftlicher Name der Studie

Pathogenic Variants Associated with Dilated Cardiomyopathy Predict Outcome in Pediatric Myocarditis

Die Myokarditis tritt oft nach viralen Infekten auf und bleibt unter Umständen lange unentdeckt. Das macht die Herzmuskelentzündung so gefährlich. Der Herzmuskel sorgt dafür, dass der Körper und alle seine Organe durch den Blutkreislauf ausreichend Sauerstoff erhalten. Ist er in seiner Funktion beeinträchtigt, kann es gerade bei anstrengenden körperlichen Aktivitäten – zum Beispiel beim Sport – zu Herzschwäche, Herzrhythmusstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod kommen.

Die Myokarditis zählt zu den häufigen Ursachen, die zu einer Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen bei Kindern führen. Eine neue Studie am Experimental and Clinical Research Center der Charité und des Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin (ECRC), der Kliniken für Angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie der Charité und des Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) in Kooperation mit dem Kompetenznetz Angeborene Herzfehler und dem Nationalen Register zeigt, dass genetische Faktoren eine große Rolle für den Schweregrad und den Ausgang einer Herzmuskelentzündung spielen und liefert Hinweise darauf, wie sich entsprechend vorbeugen lässt.

  • Gut zu wissen

    Was geschieht bei einer Herzmuskelentzündung?

    Bildgebende Verfahren, EKG und Blutuntersuchung gehören zur Diagnostik bei einer Herzmuskelentzündung. © iStockphoto.com | isayildiz
    Bildgebende Verfahren, EKG und Blutuntersuchung gehören zur Diagnostik bei einer Herzmuskelentzündung.

    Täglich pumpt das Herz eine ganze Tankwagenfüllung Blut durch den menschlichen Körperkreislauf, damit die Gefäße Sauerstoff in alle Körperorgane leiten können. Für den entscheidenden Antrieb sorgt der Herzmuskel. Er bildet den größten Teil der Herzwand. Ist der Herzmuskel entzündet, kann das die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff beeinträchtigen.

    Luftnot, Herzstolpern (Herzrhythmusstörungen), Brustenge und Brustschmerzen zählen zu den Symptomen der Erkrankung, die häufig, beispielsweise in Folge eines grippalen Infektes, durch Viren ausgelöst wird. Doch in vielen Fällen äußert sich eine Herzmuskelentzündung eher unspezifisch. Betroffene leiden unter Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Kurzatmigkeit, ohne an eine Beteiligung des Herzens zu denken. Und bei Kindern fehlen Anzeichen für die Erkrankung oft gänzlich. Das macht die rechtzeitige Diagnose zu einer Herausforderung. Erst bildgebende Verfahren, EKG und Blutuntersuchungen liefern die entscheidenden Hinweise auf das Vorliegen der Erkrankung.

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Den genetischen Ursachen auf der Spur

Neben Viren stehen seit langem auch genetische Veränderungen im Verdacht, an einer Herzmuskelentzündung beteiligt zu sein. „Es gab bislang keine Erklärung für den unterschiedlichen Schweregrad und Verlauf bei einer Herzmuskelentzündung. Das Spektrum reicht von der einfachen Virusinfektion bis hin zu einer schweren Herzinsuffizienz, die eine Herztransplantation unumgänglich macht. Was wir aber wussten ist, dass genetisch bedingte Herzmuskelerkrankungen, sogenannte primäre Kardiomyopathien, die direkt am Herzmuskel entstehen, häufig zu Herzschwäche führen“, erläutert Professor Sabine Klaassen, Leiterin der Forschungsgruppe Klinische Kardiogenetik am ECRC, die seit vielen Jahren auf dem Gebiet der Kardiomyopathien forscht.

„Für die dilatative Kardiomyopathie, eine Herzmuskelerkrankung, die mit einer Erweiterung der Herzkammer einhergeht, sind in rund 30 Prozent der Fälle Gendefekte verantwortlich“, so Klaassen. Gemeinsam mit ihrem Forscherteam ging Sabine Klaassen daher der Frage nach, ob solche Genveränderungen auch bei der Herzmuskelentzündung im Spiel sind und gegebenenfalls sogar ihren Verlauf bestimmen. Erstautorin der Studie ist Franziska Seidel vom kinderkardiologischen Team der Charité und des DHZB. Die Ärztin forscht seit mehreren Jahren im Rahmen von MYKKE zur Myokarditis.

Humangenetische Untersuchung bei vorliegender Herzmuskelerkrankung

Bei der vergleichenden molekulargenetischen Untersuchung der Gewebe- und DNA-Proben von insgesamt 42 jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des am Nationalen Register eingerichteten MYKKE-Registers, bei denen per Herzmuskelbiopsie eine Myokarditis nachgewiesen worden war, stießen die Forscher auf interessante Unterschiede zwischen den Probenspendern mit einer dilatativen Kardiomyopathie und jenen, bei denen diese Herzmuskelerkrankung nicht vorlag. „Vergleichbare Untersuchungen bei Kindern auf Grundlage einer biopsie-gesicherten Diagnose gibt es kaum. Trotz der im ersten Schritt vergleichsweise kleinen Kohorten: Die Eindeutigkeit der Unterschiede hat uns überrascht. Die Ergebnisse tragen zu einem erweiterten Verständnis der Herzmuskelentzündung bei und eröffnen neue Möglichkeiten für eine verbesserte individualisierte Medizin“, fasst Franziska Seidel zusammen.

Jüngere Patienten besonders gefährdet

Zum einen waren von der dilatativen Kardiomyopathie vor allem jüngere Kinder (medianes Alter 1,4 Jahre) betroffen. Auch machte sich bei ihnen ein deutlich schwererer Verlauf der Herzmuskelentzündung bis hin zum Herztod bemerkbar. Zugleich zeigte sich bei diesen jungen Patienten eine deutlich erhöhte Anzahl an pathogenen Genvarianten in jenen Genen, die bekanntermaßen an der Erkrankung beteiligt sind.

Demgegenüber waren Patienten, die über Herzrhythmusstörungen oder Angina pectoris klagten, aber keine dilatative Kardiomyopathie hatten, wesentlich älter (medianes Alter 16,1 Jahre). Bei der molekulargenetischen Untersuchung ihrer Proben stießen die Forscher auf deutlich weniger pathogene Genvarianten. Auch erholten sie sich sehr viel besser von der Herzmuskelentzündung.

Erweiterte Diagnostik empfohlen

Das Studienergebnis bildet nun die Grundlage für eine größer angelegte Studie zur genetischen Untersuchung bei Kindern mit Myokarditis in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Register. Zugleich lässt sich schon jetzt ein Nutzen für die Praxis daraus ziehen: „Für das individuelle Patientenmanagement liefert uns dieses Ergebnis wertvolle Hinweise“, sagt Sabine Klaassen. So leiten die Forscher aus ihren neuen Erkenntnissen die dringende Empfehlung ab, die Diagnostik bei Kindern mit Myokarditis, die zusätzlich von einer dilatativen Kardiomyopathie betroffen sind, um eine molekulargenetische Untersuchung zu erweitern. Damit ließe sich schon heute die Prognose besser einschätzen.


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