Dank verfeinerter OP-Verfahren lässt sich eine Transposition der großen Arterien (TGA) heute gut behandeln., iStockphoto.com | cdwheatley © iStockphoto.com | cdwheatley

Medizin und Versorgung | Herzchirurgie

Seltene Kombination: TGA mit „Loch im Herz“ und LVOTO

Wann operieren und wie am besten?

Wissenschaftlicher Name der Studie

Transposition of great arteries with left outflow tract obstruction and non-committed VSD: surgical management and late results.

Eine angeborene Vertauschung der großen Arterien (TGA) zählt zu den häufigen schweren angeborenen Herzfehlern. Bei einer TGA laufen Lungenkreislauf und Körperkreislauf parallel. Dadurch werden der Körper und seine Organe nicht ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt.

Bis in die 70er Jahre sind die meisten Kinder, die damit zur Welt kamen, daran gestorben. Heute lässt sich die Herzfehlbildung so gut korrigieren, dass über 90 Prozent der Patientinnen und Patienten das Erwachsenenalter erreichen.

Wie eine jüngste Studie bestätigt, gilt das auch, wenn die TGA zusätzlich mit einem Ventrikelseptumdefekt (VSD) und einer Einengung des Ausflusstraktes des linken Ventrikels (LVOTO) einhergeht.

„Wir sprechen bei dieser Dreierkonstellation von einer komplexen TGA“, erläutert Studienleiter Professor Fabian Kari vom Europäischen Kinderherzzentrum München. Komplex bedeute dabei keinesfalls schwierig, so der Kinderherzchirurg: „Es besagt schlicht, dass noch andere Organveränderungen dazu kommen. Eine TGA ohne VSD kann sogar deutlich schwieriger sein. Ein VSD verschafft Neugeborenen oftmals bessere Ausgangschancen, weil er auch dafür sorgt, dass sauerstoffreiches Blut in den Körperkreislauf gelangen kann.“

  • Gut zu wissen

    Was ist eine Transposition der großen Arterien?

    Mit bis zu sieben Prozent aller angeborenen Herzfehler zählt die Transposition der großen Arterien (TGA) zu den häufigeren schweren angeborenen Herzfehlern. Bei einer TGA ist der Ursprung der Hauptschlagader mit dem Ursprung der Lungenschlagader vertauscht. Die Folge: Körperkreislauf und Lungenkreislauf arbeiten nicht wie üblich „in Serie geschaltet“, sondern parallel. Das ist lebensbedrohlich, denn auf diese Weise kann nicht ausreichend sauerstoffreiches Blut in den Körper gelangen. Zu erkennen ist das an der mit einer TGA einhergehenden Zyanose, bei der Lippen, Finger, Fingernägel, Füße und Fußnägel bläulich gefärbt sind.

    Wie der Körper Zeit gewinnt

    In einigen Fällen hilft der Körper sich selbst. Löcher in den Herzscheidewänden (Vorhofscheidewanddefekte und VSDs) stellen dann eine Art Kurzschluss-Verbindung zwischen den Blutkreisläufen her. Oftmals bleibt auch der Ductus arteriosus geöffnet – eine kleine Gefäßverbindung zwischen Körper- und Lungenschlagader, die sich üblicherweise nach der Geburt verschließt. Zwar funktioniert die Sauerstoffversorgung durch diese Kurzschlussverbindungen nur eingeschränkt, aber auf diese Weise gewinnt der Körper Zeit bis zur notwendigen Korrekturoperation. Erreicht werden kann so ein Zeitaufschub auch durch die intravenöse Zufuhr von Prostaglandin E1, das verhindert, dass sich der Ductus arteriosus verschließt.

    Seit Mitte der 60er Jahre konnten die Kinder mit einer TGA bis zur notwendigen Operation am offenen Herzen zudem durch einen Katheter-Eingriff gut überleben. Bei diesem Eingriff wird die kleine Lücke zwischen den Vorhöfen erweitert, damit mehr sauerstoffreiches Blut in den Körperkreislauf gelangt. Dieser Eingriff, bekannt als Rashkind-Manöver, ist nach dem US-amerikanischen Kardiologen William J. Rashkind benannt, der ihn 1965 das erste Mal durchführte.

    Lebensretter Vorhofumkehr-Operation

    Seit Ende der 50er Jahre rettete die Vorhofumkehr-Operation (atriale Switch-Operation) vielen Kindern das Leben. Bei diesem von dem schwedischen Herzchirurgen Åke Senning 1957 erstmals angewandten und 1963 von dessen kanadischem Kollegen William T. Mustard verfeinerten Korrekturverfahren wird das sauerstoffarme Blut aus der oberen und unteren Körperhälfte so über den linken Vorhof umgeleitet, dass es in die linke Herzkammer und von dort zur Sauerstoffaufnahme in die Lunge gepumpt wird. Umgekehrt wird das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge durch den rechten Vorhof hindurch in die rechte Herzkammer umgeleitet und von dort in die Hauptschlagader gepumpt.

    Funktionsumkehr mit Folgen

    Allerdings ist die Muskulatur der rechten Herzkammer im Unterschied zur linken Herzkammer nicht auf die anstrengenden Pumpvorgänge zur Blutversorgung des gesamten Körpers ausgelegt. Auf Dauer verdickt und versteift sie sich. Die Folge: Die Herzkammer weitet sich und kann nicht mehr so stark pumpen. Oft funktioniert auch das Einlassventil, die Trikuspidalklappe, über die das Blut in die rechte Herzkammer strömt, nicht mehr richtig. Eine medikamentöse Behandlung und weitere Eingriffe werden nötig. Wird das nicht rechtzeitig erkannt, droht eine lebensbedrohliche Herzschwäche.

    Lohnende Millimeterarbeit bei der arteriellen Switch-Operation

    Seit Mitte der 70er hat sich mit der arteriellen Switch-Operation ein weiteres Verfahren durchgesetzt. Erstmals gelungen ist die Operation 1975 dem brasilianischen Herzchirurgen Adib D. Jatene. Er hatte erkannt, dass es nicht ausreicht, die beiden vertauschten Arterien oberhalb der Herzklappen abzutrennen und in der jeweils richtigen Position wieder anzunähen. Damit der Herzmuskel genügend Blut und Sauerstoff für seine wichtige Pumpfunktion erhält, müssen auch die Herzkranzgefäße umgepflanzt werden. Die Durchmesser dieser feinen Adern betragen kaum 2 Millimeter. Das macht die OP sehr anspruchsvoll. Doch die buchstäbliche Millimeterarbeit bewährt sich bis heute.

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Herausfordernde Kombination

Allerdings stellt eine komplexe TGA die Herzchirurgie vor besondere technische Herausforderungen. Verschiedene Korrekturschritte sind notwendig, damit der Körper und all seine Organe ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden:

„Entweder muss das sauerstoffarme Blut so umgeleitet werden, dass es mit Sauerstoff angereichert wird, oder wir müssen die Arterien, wie es heute gängige Praxis ist, anatomisch richtig anschließen. Ziel beider Verfahren ist, dass der Lungenkreislauf und der Körperkreislauf wieder „in Serie geschaltet“ arbeiten. Der VSD wird mit einem Patch aus Herzbeutelmaterial oder Kunststoff verschlossen. Und die Engstelle am Ausflusstrakt des linken Ventrikels muss beseitigt werden“, erläutert Professor Fabian Kari.

All das lasse sich heute gut machen. „Wir sehen die Verbesserung unmittelbar nach der OP, schon auf der Intensivstation. Die kleinen Patientinnen und Patienten blühen regelrecht auf.“

Wenn das Loch zu weit weg liegt

Die OP-Verfahren dafür haben sich seit den 70ern enorm verfeinert. Trotzdem sei keiner der Eingriffe trivial. „Jedes Herz ist anders und auch jede komplexe TGA hat ihre eigene Anatomie“, sagt Professor Fabian Kari.

So spielt etwa eine erhebliche Rolle, wo genau sich der VSD befindet. Er kann entweder direkt unter der Hauptschlagader (subaortal), oder unter der Lungenschlagader, (subpulmonal) oder aber auch mittig unter beiden großen Gefäßen (doubly-committed) liegen.

„Ungünstig ist, wenn das Loch zu weit entfernt von den beiden großen Arterien liegt und damit nicht die ideale Kurzschlussverbindung herstellt. In der Fachsprache reden wir dann von einem „non-committed“ VSD. Das kommt sehr selten vor, aber es erfordert ein besonderes Operations-Management und eine entsprechende kinderkardiologische Begleitung“, so Professor Fabian Kari.

Welches Verfahren ist wann optimal?

Nur wie geht es nach erfolgreicher Erstkorrektur auf lange Sicht weiter? Diese Frage treibt den Herzchirurgen und seine Kolleginnen und Kollegen um. „Über die langfristigen Ergebnisse unserer Arbeit wissen wir noch zu wenig“, sagt Professor Fabian Kari. Bekannt sind verschiedene Probleme, die auftauchen können, auch bei der Rastelli-OP.

„Das Verfahren ist der Goldstandard bei einer komplexen TGA. Dabei wird in der linken Herzkammer ein Tunnel geschaffen, der sie mit der Aortenklappe und der aufsteigenden Hauptschlagader verbindet“, erläutert er das Vorgehen. Aber es gibt einen Haken: „Liegt der VSD zu weit entfernt davon, benötigen wir einen längeren und aufwändigeren Tunnel. Dies ist mit einem erhöhten Risiko für eine erneute Verengung des Ausflusstraktes der linken Herzkammer verbunden.“ Auch könne es auf Dauer zu Undichtigkeiten im für den „Tunnelbau“ eingesetzten Baffle kommen.

Langzeitforschung liefert wichtige Anhaltspunkte

Mit seinem Forscherteam hat Professor Fabian Kari daher im Rahmen einer Langzeitstudie erstmals untersucht, wie die Ergebnisse der unterschiedlichen Operationsverfahren bei einer komplexen TGA mit einem solchen non-committed VSD nach zwanzig Jahren ausfallen.

Ziel war es, Anhaltspunkte dafür zu gewinnen, welches Verfahren langfristig die besten Resultate zeigt und ob es einen besonders günstigen Zeitpunkt für die Korrektur gibt.

Dazu wurde anhand von Daten des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler über einen Zeitraum von 20 Jahren hinweg untersucht, wie es sich mit der Überlebensrate, der Anzahl der wiederholten Eingriffe und der Anzahl der Folgeoperationen aufgrund einer erneuten LVOTO, eines wiederkehrenden VSD oder aufgrund von Komplikationen verhält, die sich durch einen undichten Baffle einstellen.

Medizinische Daten aus 14 Herzzentren

Die medizinischen Daten für die Untersuchung der Krankheitsverläufe bei einer TGA in Verbindung mit einem non-committed VSD und einer LVOTO kamen von 47 Patientinnen und Patienten, die zwischen 1984 und 2020 in einem von 14 verschiedenen deutschen Herzzentren in Behandlung waren: Berlin, Düsseldorf, Erlangen, Freiburg, Hamburg, Hannover, Homburg, Kiel, Leipzig, Lübeck, München, Rostock, Sankt Augustin (bei Bonn) und Tübingen.

Ihre erste Korrektur-OP hatten neun (19 Prozent) der Patientinnen und Patienten als Neugeborene, 21 (45 Prozent) im Säuglingsalter und 17 (36 Prozent) im Kleinkindalter.

Erfreuliches Ergebnis mit einer kleinen Einschränkung

„Unabhängig vom Zeitpunkt der Operation und vom Operationsverfahren war die Überlebensrate nach zwanzig Jahren mit über 90 Prozent erfreulich hoch“, fasst Professor Fabian Kari das Ergebnis zusammen. Allerdings könne eine minimale Verzerrung nicht ausgeschlossen werden, schränkt er ein: „Es kommt heute glücklicherweise selten vor: Nur, wenn ein Kind stirbt, zögern viele Eltern verständlicherweise mit der Fortsetzung der Registerteilnahme. Von daher ist vorstellbar, dass uns einige der Sterbedaten nicht erreicht haben.“

Rastelli-Operation erfordert häufiger wiederholte Eingriffe

Auch in der Gesamtbetrachtung nach den drei Faktoren Überlebensrate, Anzahl der wiederholten Eingriffe und Folgeoperationen zeigten sich kaum nennenswerte Unterschiede zwischen der arteriellen Switch-OP, der Rastelli- und der Vorhofumkehr-Operation (nach Senning und nach Mustard). „Gemessen an dem aus allen drei Faktoren zusammengesetzten Endpunkt schnitten alle Verfahren in der Langzeitbeobachtung zufriedenstellend ab“, so Professor Fabian Kari.

Dabei kommen die meisten Patientinnen und Patienten jedoch um einen wiederholten Eingriff nicht herum. Auch das zeigten die Ergebnisse der Studie. Nur knapp ein Drittel der Patientinnen und Patienten mit non-committed VSD (30 Prozent) blieb bis zum Ende des Beobachtungszeitraums von zwanzig Jahren frei von Wiederholungseingriffen. „Zu Re-Operationen kam es etwas häufiger bei der Rastelli-Operation, was vor allem wiederkehrenden VSDs, LVOTOs oder einem undichten Baffle geschuldet war“, erläutert Professor Fabian Kari.

Hervorragende Langzeitergebnisse bei neonataler arterieller Switch-Operation

Dem gegenüber seien die Ergebnisse der bei Neugeborenen zunehmend eingesetzten arteriellen Switch-Operation hervorragend. Allerdings: „Nicht immer erlauben Anatomie und Lage der Herzfehlbildungen eine arterielle Switch-Operation. Die Rastelli-Operation führt auch bei non-committed VSDs zu soliden Ergebnissen.

Da dieses Verfahren bei „balanciertem“ Kreislauf frühestens ab einem Alter von sechs bis zwölf Monaten angewandt werden kann, muss die Zeit bis zum Eingriff durch eine palliative Behandlung überbrückt werden, die sicherstellt, dass genügend sauerstoffreiches Blut durch den Körper transportiert wird. Wir haben gesehen, dass sich diese Überbrückung nicht negativ auf das Langzeitergebnis auswirkt“, so Professor Fabian Kari.

Die Vorhofumkehr-Operation dagegen sollte nur zum Einsatz kommen, wenn aus medizinischen und anatomischen Gründen nichts anderes möglich ist. „Sie zieht erhebliche Folgerisiken nach sich, da die rechte Herzkammer nicht darauf ausgerichtet ist, den gesamten Körperkreislauf auf Dauer zu unterhalten.“

Ohne registerbasierte Forschung geht es nicht

Seit über zwei Jahrzehnten sammelt das Nationale Register für angeborene Herzfehler kontinuierlich die für solche multizentrischen Langzeitstudien erforderlichen Daten und Proben. Sie werden nach Einwilligung der Patientinnen und Patienten von Herzzentren, Kliniken und Arztpraxen in ganz Deutschland zusammengetragen.

„Allein die Vielgestaltigkeit einer TGA erfordert das. Ohne registerbasierte Forschung geht es nicht. Bei angeborenen Herzfehlern sprechen wir von zahlreichen verschiedenen Diagnosen mit einer breiten Varianz. Das wirft viele drängende Fragen zu einer auch auf lange Sicht optimalen Behandlung auf“, gibt Professor Fabian Kari zu bedenken.

Forschungsergebnisse wie dieses helfen schon heute bei der Verbesserung der medizinischen Versorgung. Das schafft am Ende mehr Lebensqualität für die Betroffenen und ihre Angehörigen, und es vermindert das Risiko, frühzeitig an den Folgen eines angeborenen Herzfehlers zu sterben.

  • Wissenschaftliche Details der Studie

    Erfahren Sie mehr zum Studiendesign, den Materialien und Methoden, sowie zu den Hintergründen der Studie:

    Publikationen

    • 2.5.2022

      Transposition of great arteries with left outflow tract obstruction and non-committed VSD: surgical management and late results.

      Kari FA, Uzdenov M, Kroll J, Bohnens H, Stiller B, Bauer U, Kubicki R

      European journal of cardio-thoracic surgery : official journal of the European Association for Cardio-thoracic Surgery 61, 5, 1043-1053, (2022). Diese Publikation bei PubMed anzeigen.


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