Genetik
Wenn ADAMTS19 ausfällt
Gendefekt führt zu Herzklappenfehler
Wissenschaftlicher Name der Studie
Loss of ADAMTS19 causes progressive non-syndromic heart valve disease.
Einatmen, ausatmen. Und: Ptschschsch. Ptschschsch. Ptschschsch. So ähnlich hört sich unser Herzschlag an. Das Herz-Kreislauf-System ist eine ausgetüftelte Wundermaschine. Es versorgt unsere Organe und unser Gewebe mit dem nötigen Sauerstoff. Zwei Kreisläufe arbeiten dazu miteinander: der Lungenkreislauf, auch kleiner Kreislauf genannt, und der große, der Körperkreislauf. Sie zirkulieren gleichzeitig und bauen aufeinander auf. Dabei spielen die vier Herzklappen eine wichtige Rolle. Sie müssen sich vollständig öffnen und schließen, damit das Blut in die richtige Richtung fließt.
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Gut zu wissen
Der große und der kleine Kreislauf
Beim großen Kreislauf sammelt sich das sauerstoffreiche Blut im linken Vorhof. Von hier aus wird es über die Mitralklappe in die linke Herzkammer geleitet. Diese pumpt das Blut anschließend durch die Aortenklappe in die Hauptschlagader (Aorta). Die Aorta transportiert das Blut weiter über die Arterien, Arteriolen und Kapillaren, die vom Herzen wegführenden Blutgefäße, zu den einzelnen Körperzellen, um sie mit frischem Sauerstoff zu versorgen. In dieser Phase des Herz-Kreislauf-Systems gibt das Blut den Sauerstoff an die Körperzellen der verschiedenen Organe ab und nimmt dabei Kohlendioxid (CO2) aus den Organen auf. Das „verbrauchte“, sauerstoffarme Blut wird schließlich über die Venolen, kleinere und größere Venen gesammelt und in den rechten Vorhof des Herzens geleitet. Von dort gelangt es durch die Diastole in die rechte Herzkammer.
Dort beginnt der Lungenkreislauf. Die rechte Herzkammer pumpt das sauerstoffarme Blut in der Systole in die Lungenarterie – zur gleichen Zeit, wenn die linke Herzkammer das sauerstoffreiche Blut in die Aorta pumpt. Die Lungenarterie zweigt sich über kleinere Arterien und Arteriolen in Kapillaren auf, die die Lungenbläschen wie ein feines Netz überspannen. In den Lungenbläschen findet der Gasaustausch statt: Das Blut gibt Kohlendioxid ab und nimmt frischen Sauerstoff auf. Das sauerstoffreiche Blut fließt über die Lungenvenen in den linken Vorhof. Und die beiden Blutkreisläufe beginnen von neuem.
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Undichtigkeit im System
Öffnet und schließt eine Herzklappe nicht korrekt, werden Herz und Herz-Kreislauf-System zunehmend belastet. Das Herz muss kräftiger arbeiten und die Sauerstoffzufuhr funktioniert nicht mehr so gut. Dann fällt zum Beispiel das Atmen schwerer und bei körperlichen Aktivitäten gerät man schnell an seine Belastungsgrenze. Klappenfehler können im jungen und im fortgeschrittenen Lebensalter auftreten. Sie können in Folge von bakteriellen Infektionen und anderen Herzerkrankungen, etwa nach einem Herzinfarkt, entstehen. Manchmal sind Herzklappenfehler auch angeboren.
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Kurz erklärt
Die vier Herzklappen
© stock.adobe.com | Sagittaria
Modell der Klappenebene mit den vier Herzklappen. Öffnet und schließt eine Herzklappe nicht vollständig, werden Herz und Herz-Kreislauf-System zunehmend belastet. Das Herz hat vier Herzklappen. Durch Öffnen und Schließen steuern sie den Blutfluss im Herz-Kreislauf-System. Die beiden Segelklappen befinden sich zwischen Vorhöfen und Kammern. Zwischen linkem Vorhof und linker Herzkammer liegt die Mitralklappe. Die Trikuspidalklappe liegt zwischen rechtem Vorhof und rechter Herzkammer. Die mit jeweils drei Taschen ausgestatteten Taschenklappen befinden sich jeweils zwischen Kammer und Ausstromgefäß: Zwischen der rechten Herzkammer und der Aorta öffnet und schließt die Pulmonalklappe (rechts) und zwischen der linken Herzkammer und der Aorta arbeitet die Aortenklappe.
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Ausfall eines Gens entdeckt
Könnte es für solche Defekte auch eine Veranlagung geben? Nachdem Forscher und Forscherinnen um Marc-Phillip Hitz, Leiter der Arbeitsgruppe Kardiogenetik an der Klinik für angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), anhand von genetischen Proben festgestellt hatten, dass in zwei blutsverwandten Familien bei jeweils zwei Kindern Herzklappenfehler auftraten, lag die Vermutung nahe.
Durch die Untersuchung des Erbguts der Familienmitglieder konnten Marc-Phillip Hitz und sein Team einen Ausfall des Gens ADAMTS19 im Erbgut der erkrankten Kinder entdecken. Das haben sie anschließend im Mausexperiment nachgestellt. Nachdem sie das Gen ADAMTS19 „ausgeschaltet“ hatten, bildeten sich bei den Mäusen ebenfalls Herzklappenfehler. Bei der Übermittlung der Erbgut-Informationen an die Körperzellen zeigte sich jetzt eine verstärkte Aktivität und es kam zu einer krankhaften Veränderung der Strukturen der Körperzellen der Herzklappen. Sowohl die Gewebestruktur der Herzklappen als auch ihr Zusammenspiel mit dem Blutdruck waren gestört.
Neue Aussichten für die Therapieentwicklung
Herzklappenfehler lassen sich – oft sogar ohne Operation – beheben, indem mithilfe eines Katheters eine neue Klappe eingesetzt wird. Allerdings führt dieser Eingriff nicht zu einer vollständigen Reparatur. Darum setzen die Wissenschaftler große Hoffnungen in die weitere Forschung mit ihren Ergebnissen. „Die neuen Erkenntnisse können in neue Studien einfließen, die sich mit dem Ziel beschäftigen, den durch den Gendefekt gestörten Regelkreis positiv zu beeinflussen“, sagt Marc-Phillip Hitz. Damit könnte die mit dem Alter fortschreitende Zerstörung der Herzklappen bei den betroffenen Erkrankten möglicherweise gestoppt werden.
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Wissenschaftliche Details zur Studie
© DZHK
Humangenetiker Prof. Dr. med. Marc-Phillip Hitz Die Forschergruppe um Professor Marc-Phillip Hitz, Leiter der Arbeitsgruppe Kardiogenetik an der Klinik für angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und Stiftungsprofessor des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), veröffentlichte gemeinsam mit Professor Gregor Andelfinger vom Centre hospitalier Universitaire Sainte-Justine Sainte im kanadischen Montreal die Ergebnisse ihrer Studien am 16. Dezember in dem renommierten Journal „Nature Genetics“.
Hier geht es zur Pressemitteilung des DZHK.
Erfahren Sie mehr zum Studiendesign, den Materialien und Methoden, sowie zu den Hintergründen der Studie:
Publikationen
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1.1.2020
Loss of ADAMTS19 causes progressive non-syndromic heart valve disease.
Wünnemann F, Ta-Shma A, Preuss C, Leclerc S, van Vliet PP, Oneglia A, Thibeault M, Nordquist E, Lincoln J, Scharfenberg F, Becker-Pauly C, Hofmann P, Hoff K, Audain E, Kramer HH, Makalowski W, Nir A, Gerety SS, Hurles M, Comes J, Fournier A, Osinska H, Robins J, Pucéat M, MIBAVA Leducq Consortium principal investigators , Elpeleg O, Hitz MP, Andelfinger G,
Nature genetics 52, 1, 40-47, (2020). Diese Publikation bei PubMed anzeigen.
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