Neugeborenes im Klinikbett. Eine Fallot Tetralogie wird heute möglichst schon im Säuglingsalter korrigiert., iStockphoto.com | pekkak © iStockphoto.com | pekkak

Medizin und Versorgung

Zu viel Druck auf die rechte Herzkammer

Fallot Tetralogie: Wann ist ein erneuter Eingriff nötig?

Wissenschaftlicher Name der Studie

Impact of Right Ventricular Pressure Load After Repair of Tetralogy of Fallot

Die Tetralogy of Fallot (ToF) ist der häufigste angeborene Herzfehler, bei dem es zu einer Zyanose, einer Blaufärbung der Haut, kommt. Bei der vielgestaltigen Herzfehlbildung werden der Körper und seine Organe nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt.

Zu den lebensbedrohlichen Folgen der von dem französischen Arzt Étienne Fallot erstmals beschriebenen Ansammlung von vier Organfehlbildungen gehört die Überlastung der rechten Herzkammer durch einen Blutrückstau. Schuld daran ist eine Verengung des rechten Ausflusstraktes (RVOT) unterhalb der Pulmonalklappe. Weil die rechte Herzkammer dagegen  anpumpen muss, verdickt sich ihre Muskulatur. Dadurch kann es zu Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand kommen.

  • Gut zu wissen

    Warum heißt die Herzfehlbildung ToF?

    Neugeborenes im Klinikbett. Eine Fallot Tetralogie wird heute möglichst schon im Säuglingsalter korrigiert. © iStockphoto.com | pekkak
    Neugeborenes im Klinikbett. Eine Fallot Tetralogie wird heute möglichst schon im Säuglingsalter korrigiert.

    Im Jahr 1888 beschrieb der französische Arzt Étienne Fallot erstmals die vier Fehlbildungen eines komplexen angeborenen Herzfehlers. Was er sah, war eine Verengung unterhalb der Pulmonalklappe, die den Blutfluss von der rechten Herzkammer in die Lunge behinderte, ein Loch in der Wand zwischen den beiden Herzkammern (Ventrikelseptumdefekt), eine ungewöhnlich verlaufende Hauptschlagader (reitende Aorta) und eine Verdickung der Muskulatur der rechten Herzkammer.

    Aufgrund des Ventrikelseptumdefektes und der reitenden Aorta kommt es zu einer Beimischung von nicht mit Sauerstoff angereichertem, blauem Blut aus der rechten Herzhälfte in den Körperkreislauf. Das führt zu bläulichen Färbungen von Lippen und Extremitäten.

    Die kanadische Ärztin Maude Elizabeth Seymour Abbott hat für die von Étienne Fallot als „blaues Übel“  bezeichnete komplexe Herzfehlbildung 1924 den Namen Tetralogy of Fallot (ToF) in die Fachliteratur eingeführt. Die ToF ist eine der häufigsten schweren angeborenen Herzerkrankungen. Etwa jedes zehnte Kind mit einem angeborenen Herzfehler ist davon betroffen.

    zuklappen

Herzkorrektur so schonend wie möglich

Schon Mitte der 50er Jahre sicherte die Herzchirurgie das Überleben der betroffenen Kinder. Heute sorgen modernste medizinische Technologie und Operationsverfahren für ein schonendes Vorgehen und damit für eine deutlich verbesserte Lebenserwartung und Lebensqualität. Doch bei jeder ToF sind die einzelnen Fehlbildungen unterschiedlich ausgeprägt, und viel hängt vor allem davon ab, wie stark der Ausflusstrakt zur rechten Herzkammer verengt ist.

Gezielte Entlastung der rechten Herzkammer

Bei der Operation wird sowohl der mit der Fehlbildung verbundene Ventrikelseptumdefekt (VSD) durch einen Patch verschlossen als auch der rechte Ausflusstrakt (RVOT) erweitert, entweder durch einen weiteren Patch und/oder auch durch die Entfernung von Muskelgewebe. Ziel ist es, die Muskulatur der rechten Herzkammer zu entlasten.

Früher kam es aufgrund der entstehenden Undichtigkeit der Pulmonalklappe in der Folge häufig zum Klappenersatz. Inzwischen wird chirurgisch möglichst so behandelt, dass die Pulmonalklappe und damit der rechte Ventrikel in seiner natürlichen Funktionsweise erhalten bleiben kann.

Leichter Druck auf die Herzkammer

Dabei verbleibt allerdings häufig eine geringfügige Verengung des Ausflusstraktes. „Eine solche Restverengung lässt sich hinnehmen, solange der Druck nicht zu hoch ist und sich die Muskulatur der rechten Herzkammer folglich nicht so stark verdicken kann, dass ihre Funktion beeinträchtigt ist“, erläutert Heiner Latus, Oberarzt am Zentrum für Angeborene Herzfehler des Klinikum Stuttgart.

Aber hält die Herzklappe diesem leichten Druck auf Dauer stand? Und falls nicht: Lohnt eine erneute chirurgische Korrektur des rechten Ausflusstraktes? Bislang war es schwer, das zu vorherzusagen.

Auf der Suche nach einer verlässlichen Prognose

Eine jüngste Langzeitstudie am Kompetenznetz hat daher den Krankheitsverlauf nach der Korrektur-OP bei 296 minderjährigen und erwachsenen Patientinnen und Patienten untersucht und dabei die Untersuchungsergebnisse zur jeweiligen Druckbelastung auf das Herzmuskelgewebe (Myokard) der rechten Herzkammer berücksichtigt.

„Wir wollten anhand der Druckgradienten herausfinden, inwiefern eine Verengung des rechten Ausflusstraktes (RVOT) tatsächlich in Kauf genommen werden kann, und ob es klare Anhaltspunkte dafür gibt, ab wann ein Pulmonalklappenersatz unumgänglich ist. Im Interesse der Lebensqualität der Patienten wäre hier eine verlässliche Prognose wünschenswert“, begründet Studienerstautor Heiner Latus.

Klappenersatz oft unvermeidlich

Dafür liefert die aktuelle multizentrische Studie neue entscheidende Hinweise. Über einen Nachbeobachtungszeitraum von durchschnittlich 10,1 Jahren konnten die Forschenden feststellen, dass eine stärkere RVOT-Verengung zwar mit einem geringeren Blutrückfluss und einer verkleinerten rechten Herzkammer verbunden war. Zugleich stand sie jedoch mit einer verringerten Belastungsfähigkeit der beiden Herzkammern im Zusammenhang und erwies sich als sich als klarer Risikofaktor für unerwünschte kardiologische Ereignisse wie Herzrhythmusstörungen.

„Deutlich wurde anhand der vergleichsweise jungen Patientengruppe mit einem Durchschnittsalter zwischen 10 und 25 Jahren: Selbst eine leichte Druckbelastung der rechten Herzklappe erfordert manchmal  einen Pulmonalklappenersatz“, resümiert Heiner Latus.

Die Forschenden raten daher dringend dazu, in Verbindung mit dem Ausmaß des Blutrückflusses und dem RVOT-Spitzengradienten zu prüfen, inwiefern und zu welchem Zeitpunkt der Pulmonalklappenersatz notwendig erscheint. „Ein Blutrückfluss von mehr als 25 Prozent und ein RVOT-Spitzengradient von über 30 mmHg sind klare Risikofaktoren, die mit einem Klappenersatz einhergehen. Wie hoch genau die Druckbelastung sein darf, ohne die Funktion des rechten Ventrikels zu beeinträchtigen, muss dagegen noch genauer ermittelt werden“, betont der Forscher. 

  • Wissenschaftliche Details der Studie

    Erfahren Sie mehr zum Studiendesign, den Materialien und Methoden, sowie zu den Hintergründen der Studie:

    Publikationen

    • 5.4.2022

      Impact of Right Ventricular Pressure Load After Repair of Tetralogy of Fallot.

      Latus H, Stammermann J, Voges I, Waschulzik B, Gutberlet M, Diller GP, Schranz D, Ewert P, Beerbaum P, Kühne T, Sarikouch S, German Competence Network for Congenital Heart Defects Investigators ,

      Journal of the American Heart Association 11, 7, e022694, (2022). Diese Publikation bei PubMed anzeigen.


Das könnte Sie auch interessieren:


Diese Seite teilen per ...