Medizin und Versorgung
Kampf dem plötzlichen Herztod bei AHF
ATROPOS soll die Ermittlung von Risikofaktoren ermöglichen
Wissenschaftlicher Name der Studie
ATROPOS: Register für plötzliche Todesfälle bei Jugendlichen und erwachsenen Patienten mit angeborenen Herzfehlern.
Der plötzliche Tod ist ein Ereignis, das der Menschheit schon immer Rätsel aufgab. In der griechischen Mythologie ist es Atropos, die älteste der drei Schicksalsgöttinnen, der die Aufgabe zufällt, den Lebensfaden zu durchschneiden, den ihre jüngste Schwester Klotho gesponnen und der von Lachesis, der dritten der Moiren, bemessen wurde. Aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt, bedeutet Atropos so viel wie „die Unabwendbare“. Schicksalhaft und unabwendbar erscheint uns bis heute der plötzliche Herztod, ein insgesamt relativ seltenes Ereignis, von dem allerdings in besonderem Maße Jugendliche und Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) betroffen sein können.
Plötzlicher Herztod ist ein besonders tragisches Ereignis
Dank bedeutender Fortschritte der Kinderkardiologie und Kinderherzchirurgie ist die Zahl der erwachsenen Patienten mit angeborenen Herzfehlern in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen. Zahlreiche Errungenschaften in der medizinischen Versorgung, etwa auch in der Elektrophysiologie zur Erkennung und Behandlung von Herzrhythmusstörungen, ermöglichen vielen ein weitgehend „normales“ Leben. Zugleich jedoch treten Herzrhythmusstörungen und plötzliche, herzbedingte Todesfälle bei einigen Patienten mit angeborenen Herzfehlern häufiger auf.
Den plötzlichen Herztod erleben wir deshalb als besonders tragisch, weil er unerwartet ist. Den Patienten, die er mitten aus dem Leben und dem Kreis ihrer Angehörigen reißt, geht es subjektiv gut. Mit dem Risiko des plötzlichen Herztodes lässt sich kaum kalkulieren, weil ein erstmalig auftretender sudden cardiac death (SCD), so die englische Bezeichnung, aufgrund fehlender Anhaltspunkte bislang auch im Rahmen einer mathematischen Risikoermittlung schwer vorauszusagen war. Der vorbeugende, großzügige Einsatz eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) setzt gerade Jugendliche und Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern unverhältnismäßig großen Nebenwirkungen aus. Die Komplikationsrate ist hoch.
Diagnosen mit erhöhtem SCD-Risiko
Nach aktuellem Stand der Forschung sind es vor allem drei Diagnosegruppen, die mit einem erhöhten SCD-Risiko einhergehen. Eine jüngste Studie ergab, dass von den Patienten, die vom plötzlichen Herztod betroffen waren, 19 Prozent eine Transposition der großen Arterien (TGA) mit Vorhofumkehroperation (atrialer Switch-Operation), 16 Prozent eine Fallot’sche Tetralogie (TOF) mit Korrekturoperation und 13 Prozent sogenannte linksseitige Ausflusstrakt-Obstruktionen (LSOTO) hatten. Bei annährend der Hälfte der plötzlichen Todesfälle (48 Prozent) handelt es sich demnach um Patienten aus einer dieser drei Diagnosegruppen.
Risiko steigt in Abhängigkeit vom Patientenalter
Das jährliche SCD Risiko wird in der Fachliteratur mit 0,19 Prozent für TOF-Patienten, mit 0,49 Prozent für TGA-Patienten nach atrialer Switch-Operation und mit 0,54 Prozent für LSOTO-Patienten angegeben. Das bedeutet, dass von 100 Patienten mit TOF innerhalb von fünf Jahren ein Patient am plötzlichen Herztod stirbt und dass von 100 Patienten mit einer TGA nach atrialer Switch-Operation oder mit einer LSOTO innerhalb von zwei Jahren ein Patient ein solches Ereignis erleidet. In Abhängigkeit vom Patientenalter und anderen klinischen Merkmalen steigt das jährliche Risiko zudem bis auf 0,9 Prozent und damit etwa auch schon bei TOF-Patienten auf nahezu einen plötzlichen Herztod pro Jahr an.
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Hintergrund
Wissenschaftliche Literatur zur Erforschung des plötzlichen Herztodes
Koyak Z, Harris L, de Groot JR, et al. Sudden cardiac death in adult congenital heart disease. Circulation 2012;126:1944-54. PMID: 22991410
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Nollert G, Fischlein T, Bouterwek S, et al. Long-term survival in patients with repair of tetralogy of Fallot: 36-year follow-up of 490 survivors of the first year after surgical repair. J Am Coll Cardiol 1997;30:1374-83. PMID: 9350942
Khairy P, Harris L, Landzberg MJ, Viswanathan S, Barlow A, Gatzoulis MA, Fernandes SM, Beauchesne L, Therrien J, Chetaille P, Gordon E, Vonder Muhll I, Cecchin F. Implantable cardioverter-defibrillators in tetralogy of Fallot. Circulation. 2008 Jan 22;117(3):363-70. PMID: 18172030
Register schafft Forschungsbasis zur Risikoermittlung
Jeder plötzliche Herztod ist einer zu viel. Die aktuell vorhandenen Risikostratifizierungsmodelle sind jedoch nur bedingt geeignet, Risikopatienten zu identifizieren, um vorbeugend einschreiten zu können. An einzelnen medizinischen Institutionen tritt der SCD bei Patienten mit angeborenen Herzfehlern generell zu selten auf, als dass sich daraus Forschungsgrundlagen für valide Ergebnisse ableiten ließen. Deshalb fehlt es bislang an wissenschaftlich begründeten Anhaltspunkten für die präzise Ermittlung des Risikos.
Mit einem europaweiten Register werden wir das jetzt ändern. In das ATROPOS-Register nehmen wir die anonymisierten Daten aller Patienten in Europa mit einer TGA nach atrialer Switch-Operation einer TOF oder einer LSOTO auf, die am plötzlichen Herztod verstorben sind oder ein solches Ereignis überlebt haben. Damit schaffen wir die Basis für eine systematische und schnelle Ermittlung der beteiligten Risikofaktoren. Dazu vergleichen wir anschließend im Rahmen von Fallkontrollstudien die klinisch relevanten Daten von am plötzlichen Herztod verstorbenen Patienten mit den medizinischen Daten von Patienten derselben Altersgruppe mit ähnlichen Krankheitsbildern.
KI-basierte Prävention
In einem dritten Schritt werden wir uns die Chancen der künstlichen Intelligenz zu Nutze machen. So genannte Deep Learning Algorithmen werden anhand der wissenschaftlich ermittelten Risikofaktoren darauf trainiert, die behandelnden Ärzte zugunsten einer verbesserten Diagnostik und Prävention rechtzeitig vorzuwarnen, um gezielt medizinisch eingreifen zu können. Wir gehen davon aus, dass die Entwicklung neuer praktischer Risikomodelle auf breiter Datengrundlage die vorbeugende Behandlung zur Vermeidung des SCD ermöglicht. Der plötzliche Herztod wäre dann ein vermeidbares Schicksal.
Europaweite Beteiligung
Das Projekt wird federführend vom EMAH Zentrum an der Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen des Universitätsklinikums Münster betreut. Ärztinnen und Ärzte aus ganz Europa sind aufgefordert, sich an der Datenerfassung in diesem Register zu beteiligen und ihnen bekannte relevante Fälle einzuschließen.
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Ihr Beitrag zum ATROPOS Register
Kriterien für den Patienteneinschluss
Einschlusskriterien:
14 Jahre und älter zum Zeitpunkt des SCD (verstorben oder erfolgreich reanimiert)
Diagnosegruppen:
TGA mit erfolgter Vorhofumkehroperation,
TOF mit Korrekturoperation,
Left-side-outflow-trakt-lesions (LSOTO) (Aortenklappenstenose bei bikuspider und trikuspider Aortenklappe, Aortenisthmusstenose).Ausschlusskriterien:
Jünger als 14 Jahre zum Zeitpunkt des Ereignisses,
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Zustand nach Transplantation,
Zustand nach Assistoperation,
Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathien.
Hier geht es zum ATROPOS Register.
Das Forschungsprojekt wird von der ESC Working Group Grown-up Congenital Heart Disease EuroGUCH und der European Heart Rhythm Association EHRA unterstützt. Interessierte Ärztinnen und Ärzte, die sich an der Datenerfassung beteiligen wollen, wenden sich bitte an den Projektverantwortlichen Prof. Dr. Dr. med. Gerhard-Paul Diller.
Verantwortlich für das Projekt:
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Prof. Dr. Dr. med. Gerhard-Paul Diller
Gerhard-Paul Diller ist Direktor der Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen am Universitätsklinikum Münster. Als Gastprofessor lehrt er am Imperial College London. mehr
Gerhard-Paul Diller studierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München Medizin. Der zertifizierte EMAH-Experte mit den Forschungsschwerpunkten Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern und Pulmonale Hypertonie absolvierte einen Großteil seiner klinischen Ausbildung in Großbritannien am Royal Brompton Hospital in London. Er erwarb zudem einen Master of Science in Health Economics Policy and Management der London School of Economics, London, UK. Seit Juli 2024 leitet Gerhard-Paul Diller die Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen am Universitätsklinikum Münster. Er ist Vorstandsmitglied der European Heart Rhythm Association, Vorstandsmitglied der ESC-Working-Group Grown Up Congenital Heart Disease sowie stellvertretender Vorsitzender der AG 9 Kongenitale Herzfehler der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung (DGK). Gerhard-Paul Diller ist Mitglied des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler e. V. und gehört dem Gutachtergremium des Forschungsverbundes an.
Universitätsklinikum Münster
Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen
Albert-Schweitzer-Campus 1
48149 Münster -
Prof. Dr. med. Helmut Baumgartner
Helmut Baumgartner ist Direktor a. D. der Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen am Universitätsklinikum Münster. mehr
Helmut Baumgartner studierte an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Nach Forschungsaufenthalten unter anderem am Cedars-Sinai Medical Center, Universität von Kalifornien, Los Angeles, USA, leitete der Kardiologe das Echokardiographie-Labor sowie verschiedene Forschungsprogramme an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Bis 2007 war er zudem Mitglied der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, bevor er 2007 dem Ruf an die Universität Münster folgte. Seine Forschungstätigkeit auf dem Gebiet der Herzklappenfehler und angeborenen Herzfehler bei Erwachsenen, darunter die klinische und experimentelle Forschung zur Echokardiographie sowie zur Katheterintervention bei angeborenen und erworbenen Herzklappenfehlern und zur Myokardvitalität, trug ihm zahlreiche Auszeichnungen ein. Helmut Baumgartner war viele Jahre Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kardiologie und gehörte für die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung dem Leitlinienkomitee zur Behandlung von Herzklappenfehlern und angeborenen Herzfehlern bei Erwachsenen an. Er ist Mitglied der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und assoziierter Herausgeber des European Heart Journal. Helmut Baumgartner ist Mitglied und stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Kompetenznetz Angeborene Herzfehler. Er gehört dem Lenkungsausschuss des Forschungsverbundes an.
Universitätsklinikum Münster
Klinik für Kardiologie III: Angeborene Herzfehler (EMAH) und Klappenerkrankungen
Albert-Schweitzer-Campus 1
48149 Münster -
Dr. med. Ulrike Bauer
Ulrike Bauer ist Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler e. V. und des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler e. V. mehr
Ulrike Bauer hat an der Humboldt-Universität zu Berlin Humanmedizin studiert. Nach ihrer Promotion zur Echokardiographie bei angeborenen Herzfehlern absolvierte sie am Bezirkskrankenhaus in Chemnitz zunächst eine internistische Facharztausbildung bevor sie an das Institut für kardiovaskuläre Diagnostik der Charité Berlin und von dort aus in die Kinderkardiologie des Deutschen Herzzentrums Berlin wechselte. Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter E. Lange begann Ulrike Bauer 1997 mit dem Aufbau eines bundesweiten Registers für angeborene Herzfehler. Gemeinsam getragen vom Stiftungsrat des Deutschen Herzzentrums Berlin und den kardiologischen Fachgesellschaften sowie mit Unterstützung durch Eltern- und Patientenverbände ging aus der Initiative von Prof. Dr. Peter E. Lange 2003 der Verein Nationales Register für angeborene Herzfehler e. V. hervor. Im selben Jahr fiel der Startschuss für den aus Mitteln des Bundes finanzierten Aufbau des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler. Ulrike Bauer ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung (DGK), der European Society of Cardiology (ESC), der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) und der Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC).
Kompetenznetz Angeborene Herzfehler e. V.
Netzwerkzentrale
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin