Der Alltag mit einem angeborenen Herzfehler kann zur Belastungsprobe für die Psyche werden., iStockphoto.com | Marjan_Apostolovic © iStockphoto.com | Marjan_Apostolovic

Leben und Alltag

Bevor die Psyche streikt

Online-Trainings für mehr Lebenszufriedenheit bei AHF

Wissenschaftlicher Name der Studie

Wirksamkeit eines Emotionsregulationstrainings bei Personen mit angeborenem Herzfehler

Das Herz ist ein besonderes Organ. Herzschlag für Herzschlag pumpt es täglich eine ganze Tanklastwagen-Füllung Blut durch unseren Kreislauf. Hört das Herz auf zu arbeiten, sterben wir. Eins von einhundert Kindern kommt mit einem angeborenen Herzfehler auf die Welt. Früher bedeutete die Erkrankung in den meisten Fällen ein sicheres Todesurteil. Heute sichert die moderne Medizin das Überleben auch bei schweren Herzfehlbildungen. Etwa 90 Prozent aller Patientinnen und Patienten erreichen das Erwachsenenalter.

Dem Herz wird geholfen. Nur was ist mit der Psyche?

Ein angeborener Herzfehler stellt Betroffene und ihr Umfeld von Anbeginn vor große Herausforderungen, die emotional stark belastend sein können. Auch im Erwachsenenalter fordert der Alltag mit der Grunderkrankung und ihren möglichen Folgeerkrankungen die Widerstandsfähigkeit der Psyche heraus. Das macht sich bemerkbar: Studien belegen, dass Menschen mit angeborenen Herzfehlern im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger an psychischen Erkrankungen leiden.

Corona verschärft die Situation

In Zeiten von Corona gesellen sich weitere Stressauslöser hinzu. Der notwendige Schutz vor der Ansteckung mit Covid-19 zwingt vor allem Patientinnen und Patienten mit komplexen angeborenen Herzfehlern zur Selbstisolierung. Zudem müssen aufgrund der Überlastung in den Kliniken etwa auch Routineuntersuchungen, Katheterinterventionen und OPs verschoben werden. All das verstärkt Unsicherheiten und Ängste und beeinträchtigt in hohem Maße die Lebensqualität. Eine von April bis Juli 2021 durchgeführte Umfrage unter Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Nationalen Registers zu den Auswirkungen der Pandemie auf ihr Alltagserleben ergab, dass ein großes Interesse an leicht zugänglichen Online-Angeboten zur psychologischen Behandlung und Unterstützung besteht.

Digitales Angebot soll helfen

„Emotionsregulationstraining“. Hinter diesem sperrigen Namen verbergen sich von Psychologinnen und Psychologen entwickelte Anleitungen und Übungen, die nachweislich dabei helfen, Gefühle wie Ängste, Niedergeschlagenheit, Unruhe oder Trauer besser zu bewältigen. Sie beruhen auf bewährten Methoden aus der modernen Verhaltenstherapie und zielen darauf ab, dass wir Stressauslöser und die durch sie hervorgerufenen Emotionen so für uns annehmen, einschätzen und bewerten können, dass uns das bei der Bewältigung des Alltags trägt und unterstützt.

Am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg entwickeln wir jetzt ein solches Training speziell für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern. Das digitale Angebot kann dabei via Computer, Tablet oder Smartphone wahrgenommen werden und damit jederzeit und überall bei der Bewältigung von erkrankungsbedingten Stresssituationen helfen. Mit Unterstützung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Nationalen Register für angeborene Herzfehler erforschen wir im Rahmen einer bundesweiten Studie, wie gut es wirkt. Ziel ist die Schaffung eines attraktiven und wirksamen Online-Trainings, das jederzeit zugänglich ist und sich leicht in den Alltag einbauen lässt, um die Widerstandskraft der Psyche zu stärken, die Lebenszufriedenheit zu steigern und psychischen Erkrankungen vorzubeugen.

Vergleich soll Klarheit bringen

Zu so genannten psychosozialen Interventionen bei angeborenen Herzfehlern wissen wir bisher noch zu wenig. Die Forschungslage dazu ist dünn. Können speziell für Menschen mit angeborenen Herzfehlern entwickelte Onlinetrainings zum Umgang mit durch die Erkrankung bedingten Ängsten, Unsicherheiten und negativen Erlebnissen noch besser helfen, Stress abzubauen und die Lebenszufriedenheit zu steigern als allgemeine Emotionsregulationstrainings?

Um das herausfinden zu können, vergleichen wir, unter Berücksichtigung der im Nationalen Register pseudonymisiert erfassten medizinischen Daten der an der Studie Teilnehmenden, die kurz- und mittelfristige Wirksamkeit des speziell für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern entwickelten Trainings mit der eines allgemeinen Emotionsregulationstrainings. Zugleich ermitteln wir in einer Kontrollgruppe, die mit dem Emotionsregulationstraining zeitversetzt etwas später beginnt, wie es ihr während der Wartezeit psychisch und emotional ergeht.

Fünf Minuten Online-Training pro Tag

Dazu laden wir gezielt volljährige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler ein, die per Zufallsprinzip entweder einer der beiden Testgruppen oder der Kontrollgruppe zugeordnet werden. Sie nehmen im Rahmen von zwei Testphasen jeweils an einem vierwöchigen Training teil. Die Trainings bestehen aus einer kurzen Einführung und verschiedenen daraus abgeleiteten interaktiven Übungen, die maximal bis zu fünf Minuten täglich an Zeit in Anspruch nehmen. Das Trainingsprogramm setzt sich aus Texten, Videomaterial, Audiodateien und konkreten Alltagsübungen zum Umgang mit Emotionen in bestimmten Situationen zusammen.

Zusätzlich führen wir während der Laufzeit der Studie ebenfalls online drei Patientenbefragungen durch, einmal vor Beginn der Trainings und dann jeweils nach Ablauf einer Trainingseinheit. Die Beantwortung der zu diesem Zweck entwickelten Onlinefragebögen wird etwa 20 bis 30 Minuten Zeit in Anspruch nehmen. Wir danken schon an dieser Stelle allen Studienteilnehmenden fürs Mitmachen. Zu den Ergebnissen halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.

  • Wichtig zu wissen

    Was tun, wenn die Psyche streikt?

    In psychischen Notlagen ist fachkundige Hilfe wichtig. © iStockphoto.com | ina9
    In psychischen Notlagen ist fachkundige Hilfe wichtig.

    Sollten Sie dringend Hilfe benötigen, zum Beispiel weil Sie den Eindruck haben, Ihre Sorgen und Gedanken nicht mehr kontrollieren zu können, empfehlen wir dringend, sich an eine der Hilfeeinrichtungen zu wenden:

    Die Telefonseelsorge hilft unter der kostenlosen Rufnummer 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222.

    Fragen zur Erkrankung Depression und zu Anlaufstellen in Ihrer Nähe beantwortet das Info-Telefon Depression der Deutschen Depressionshilfe unter der Rufnummer: 0800 33 44 533. Auf den Onlineseiten der Deutschen Depressionshilfe finden Sie weitere nützliche Hilfsangebote und Klinikadressen.

    In Notfällen, etwa bei drängenden und konkreten Suizidgedanken, wenden Sie sich bitte an die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter der Telefonnummer 112.

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Die Studie wird gefördert von der Fördergemeinschaft Deutsche Kinderherzzentren e. V. © Fördergemeinschaft Deutsche Kinderherzzentren e. V.
Die Studie wird gefördert von der Fördergemeinschaft Deutsche Kinderherzzentren e. V.

Verantwortlich für das Projekt:

  • Dr. med. Ulrike Bauer, Wolfram Scheible für Nationales Register © Wolfram Scheible für Nationales Register

    Dr. med. Ulrike Bauer

    Ulrike Bauer ist Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler e. V. und des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler e. V. mehr

    Kompetenznetz Angeborene Herzfehler e. V.
    Netzwerkzentrale

    Augustenburger Platz 1
    13353 Berlin
  • Dr. rer. medic. Paul Christian Helm, Dipl.-Psych., Wolfram Scheible für Nationales Register © Wolfram Scheible für Nationales Register

    Dr. rer. medic. Paul Christian Helm

    Kompetenznetz Angeborene Herzfehler e. V.
    Netzwerkzentrale

    Augustenburger Platz 1
    13353 Berlin
  • M.Sc. Luise Prüßner, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, privat © privat

    M.Sc. Luise Prüßner

    Luise Prüßner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. mehr

    Universität Heidelberg
    Psychologisches Institut

    Hauptstraße 47-51
    69117 Heidelberg
  • B.Sc. Anna-Lena Ehmann, Universität Heidelberg, privat © privat

    B.Sc. Anna-Lena Ehmann

    Anna-Lena Ehmann studiert an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. mehr

    Universität Heidelberg
    Grabengasse 1
    69117 Heidelberg

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