Leben und Alltag
Bevor die Psyche streikt
Online-Trainings für mehr Lebenszufriedenheit bei AHF
Wissenschaftlicher Name der Studie
Wirksamkeit eines Emotionsregulationstrainings bei Personen mit angeborenem Herzfehler
Das Herz ist ein besonderes Organ. Herzschlag für Herzschlag pumpt es täglich eine ganze Tanklastwagen-Füllung Blut durch unseren Kreislauf. Hört das Herz auf zu arbeiten, sterben wir. Eins von einhundert Kindern kommt mit einem angeborenen Herzfehler auf die Welt. Früher bedeutete die Erkrankung in den meisten Fällen ein sicheres Todesurteil. Heute sichert die moderne Medizin das Überleben auch bei schweren Herzfehlbildungen. Etwa 90 Prozent aller Patientinnen und Patienten erreichen das Erwachsenenalter.
Dem Herz wird geholfen. Nur was ist mit der Psyche?
Ein angeborener Herzfehler stellt Betroffene und ihr Umfeld von Anbeginn vor große Herausforderungen, die emotional stark belastend sein können. Auch im Erwachsenenalter fordert der Alltag mit der Grunderkrankung und ihren möglichen Folgeerkrankungen die Widerstandsfähigkeit der Psyche heraus. Das macht sich bemerkbar: Studien belegen, dass Menschen mit angeborenen Herzfehlern im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger an psychischen Erkrankungen leiden.
Corona verschärft die Situation
In Zeiten von Corona gesellen sich weitere Stressauslöser hinzu. Der notwendige Schutz vor der Ansteckung mit Covid-19 zwingt vor allem Patientinnen und Patienten mit komplexen angeborenen Herzfehlern zur Selbstisolierung. Zudem müssen aufgrund der Überlastung in den Kliniken etwa auch Routineuntersuchungen, Katheterinterventionen und OPs verschoben werden. All das verstärkt Unsicherheiten und Ängste und beeinträchtigt in hohem Maße die Lebensqualität. Eine von April bis Juli 2021 durchgeführte Umfrage unter Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Nationalen Registers zu den Auswirkungen der Pandemie auf ihr Alltagserleben ergab, dass ein großes Interesse an leicht zugänglichen Online-Angeboten zur psychologischen Behandlung und Unterstützung besteht.
Digitales Angebot soll helfen
„Emotionsregulationstraining“. Hinter diesem sperrigen Namen verbergen sich von Psychologinnen und Psychologen entwickelte Anleitungen und Übungen, die nachweislich dabei helfen, Gefühle wie Ängste, Niedergeschlagenheit, Unruhe oder Trauer besser zu bewältigen. Sie beruhen auf bewährten Methoden aus der modernen Verhaltenstherapie und zielen darauf ab, dass wir Stressauslöser und die durch sie hervorgerufenen Emotionen so für uns annehmen, einschätzen und bewerten können, dass uns das bei der Bewältigung des Alltags trägt und unterstützt.
Am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg entwickeln wir jetzt ein solches Training speziell für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern. Das digitale Angebot kann dabei via Computer, Tablet oder Smartphone wahrgenommen werden und damit jederzeit und überall bei der Bewältigung von erkrankungsbedingten Stresssituationen helfen. Mit Unterstützung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Nationalen Register für angeborene Herzfehler erforschen wir im Rahmen einer bundesweiten Studie, wie gut es wirkt. Ziel ist die Schaffung eines attraktiven und wirksamen Online-Trainings, das jederzeit zugänglich ist und sich leicht in den Alltag einbauen lässt, um die Widerstandskraft der Psyche zu stärken, die Lebenszufriedenheit zu steigern und psychischen Erkrankungen vorzubeugen.
Vergleich soll Klarheit bringen
Zu so genannten psychosozialen Interventionen bei angeborenen Herzfehlern wissen wir bisher noch zu wenig. Die Forschungslage dazu ist dünn. Können speziell für Menschen mit angeborenen Herzfehlern entwickelte Onlinetrainings zum Umgang mit durch die Erkrankung bedingten Ängsten, Unsicherheiten und negativen Erlebnissen noch besser helfen, Stress abzubauen und die Lebenszufriedenheit zu steigern als allgemeine Emotionsregulationstrainings?
Um das herausfinden zu können, vergleichen wir, unter Berücksichtigung der im Nationalen Register pseudonymisiert erfassten medizinischen Daten der an der Studie Teilnehmenden, die kurz- und mittelfristige Wirksamkeit des speziell für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern entwickelten Trainings mit der eines allgemeinen Emotionsregulationstrainings. Zugleich ermitteln wir in einer Kontrollgruppe, die mit dem Emotionsregulationstraining zeitversetzt etwas später beginnt, wie es ihr während der Wartezeit psychisch und emotional ergeht.
Fünf Minuten Online-Training pro Tag
Dazu laden wir gezielt volljährige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler ein, die per Zufallsprinzip entweder einer der beiden Testgruppen oder der Kontrollgruppe zugeordnet werden. Sie nehmen im Rahmen von zwei Testphasen jeweils an einem vierwöchigen Training teil. Die Trainings bestehen aus einer kurzen Einführung und verschiedenen daraus abgeleiteten interaktiven Übungen, die maximal bis zu fünf Minuten täglich an Zeit in Anspruch nehmen. Das Trainingsprogramm setzt sich aus Texten, Videomaterial, Audiodateien und konkreten Alltagsübungen zum Umgang mit Emotionen in bestimmten Situationen zusammen.
Zusätzlich führen wir während der Laufzeit der Studie ebenfalls online drei Patientenbefragungen durch, einmal vor Beginn der Trainings und dann jeweils nach Ablauf einer Trainingseinheit. Die Beantwortung der zu diesem Zweck entwickelten Onlinefragebögen wird etwa 20 bis 30 Minuten Zeit in Anspruch nehmen. Wir danken schon an dieser Stelle allen Studienteilnehmenden fürs Mitmachen. Zu den Ergebnissen halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.
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Wichtig zu wissen
Was tun, wenn die Psyche streikt?
Sollten Sie dringend Hilfe benötigen, zum Beispiel weil Sie den Eindruck haben, Ihre Sorgen und Gedanken nicht mehr kontrollieren zu können, empfehlen wir dringend, sich an eine der Hilfeeinrichtungen zu wenden:
Die Telefonseelsorge hilft unter der kostenlosen Rufnummer 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222.
Fragen zur Erkrankung Depression und zu Anlaufstellen in Ihrer Nähe beantwortet das Info-Telefon Depression der Deutschen Depressionshilfe unter der Rufnummer: 0800 33 44 533. Auf den Onlineseiten der Deutschen Depressionshilfe finden Sie weitere nützliche Hilfsangebote und Klinikadressen.
In Notfällen, etwa bei drängenden und konkreten Suizidgedanken, wenden Sie sich bitte an die nächste psychiatrische Klinik oder den Notarzt unter der Telefonnummer 112.
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Verantwortlich für das Projekt:
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Dr. med. Ulrike Bauer
Ulrike Bauer ist Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler e. V. und des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler e. V. mehr
Ulrike Bauer hat an der Humboldt-Universität zu Berlin Humanmedizin studiert. Nach ihrer Promotion zur Echokardiographie bei angeborenen Herzfehlern absolvierte sie am Bezirkskrankenhaus in Chemnitz zunächst eine internistische Facharztausbildung bevor sie an das Institut für kardiovaskuläre Diagnostik der Charité Berlin und von dort aus in die Kinderkardiologie des Deutschen Herzzentrums Berlin wechselte. Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter E. Lange begann Ulrike Bauer 1997 mit dem Aufbau eines bundesweiten Registers für angeborene Herzfehler. Gemeinsam getragen vom Stiftungsrat des Deutschen Herzzentrums Berlin und den kardiologischen Fachgesellschaften sowie mit Unterstützung durch Eltern- und Patientenverbände ging aus der Initiative von Prof. Dr. Peter E. Lange 2003 der Verein Nationales Register für angeborene Herzfehler e. V. hervor. Im selben Jahr fiel der Startschuss für den aus Mitteln des Bundes finanzierten Aufbau des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler. Ulrike Bauer ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung (DGK), der European Society of Cardiology (ESC), der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) und der Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC).
Kompetenznetz Angeborene Herzfehler e. V.
Netzwerkzentrale
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin -
M.Sc. Luise Prüßner
Luise Prüßner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. mehr
Luise Prüßner studierte von 2011 bis 2016 an den Universitäten Hildesheim und Heidelberg Psychologie. Nach einem Forschungsaufenthalt an der Yale University in New Haven, USA, arbeitet sie seit 2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Ihr Forschungsinteresse gilt der Verknüpfung angewandter klinischer Forschung und Grundlagenforschung zur Rolle der Emotionsregulation bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Psychopathologie.
Universität Heidelberg
Psychologisches Institut
Hauptstraße 47-51
69117 Heidelberg -
B.Sc. Anna-Lena Ehmann
Anna-Lena Ehmann studiert an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. mehr
Anna-Lena Ehmann studiert seit 2015 Psychologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und absolviert derzeit ihren Master mit Schwerpunkt in Klinischer Psychologie und Entwicklungspsychologie. Ihre Bachelorarbeit schrieb sie 2019 in Kooperation mit dem Nationalen Register für angeborene Herzfehler zum Thema „Emotionsregulation bei Personen mit angeborenen Herzfehlern“.
Universität Heidelberg
Grabengasse 1
69117 Heidelberg