Medizin und Versorgung
Wie gut funktioniert die Früherkennung in Deutschland?
Bundesweite Evaluierung des Pulsoxymetrie-Screenings
Wissenschaftlicher Name der Studie
Evaluation des Pulsoxymetrie-Screenings auf kritische angeborene Herzfehler
Jeder zehnte angeborene Herzfehler ist ein kritischer Herzfehler. Noch vor wenigen Jahrzehnten war ein solcher Befund ein sicheres Todesurteil. Dank der seither immer weiter fortgeschrittenen Diagnoseverfahren und Behandlungsmethoden hat sich das geändert.
Heute können sich viele Kinder auch bei schweren angeborenen Herzfehlern gut entwickeln und ein glückliches Leben führen. Voraussetzung dafür ist die rechtzeitige Behandlung der Herzfehlbildung. Damit kommt der Früherkennung eine hohe Bedeutung zu.
Lücken schließen in der Früherkennung
Trotz der großen Fortschritte in der Diagnostik, etwa beim Ultraschall während der Schwangerschaft, werden nicht alle kritischen Herzfehler vor der Geburt entdeckt. Auch bei der ersten Untersuchung unmittelbar nach der Geburt machen sie sich unter Umständen noch nicht bemerkbar. Eine empfindliche Lücke: Kritische Herzfehler erfordern eine frühzeitige chirurgische oder katheterinterventionelle Behandlung, weil sie das Zusammenspiel aus Körperkreislauf und Lungenkreislauf nach der Geburt lebensbedrohlich behindern.
Seit Januar 2017 gehört daher das Pulsoxymetrie-Screening zu den zusätzlichen Früherkennungsuntersuchungen, die von der gesetzlichen Krankenkasse bezahlt werden. Mit Hilfe einer Manschette am Fuß des Neugeborenen wird dabei 24 bis 48 Stunden nach der Geburt durch einen kleinen Lichtsensor der Sauerstoffgehalt im Blut gemessen. Das nicht invasive Verfahren ist schmerzfrei und dauert nur wenige Sekunden. Ist die Sauerstoffsättigung zu niedrig, kann dies ein Hinweis auf einen kritischen Herzfehler sein.
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Gut zu wisssen
Keine Manschetten vor der Manschette
In Deutschland geborene und gesetzlich krankenversicherte Neugeborene haben seit vier Jahren Anspruch auf die Teilnahme am Pulsoxymetrie-Screening. Das Früherkennungs-Verfahren tut nicht weh und kann Leben retten. Mittels Manschette oder Kunststoffband wird dazu 24 bis 48 Stunden nach der Geburt ein kleines Messgerät am Fuß des Neugeborenen befestigt, das in Sekundenschnelle den Anteil des Sauerstoffs im Blut bestimmt. Haben die Eltern nach Aufklärung durch den Arzt der freiwilligen Untersuchung zugestimmt, werden die Ergebnisse anschließend auf Seite 5 im Gelben Heft, dem Kinderuntersuchungsheft, dokumentiert, das alle werdenden Eltern erhalten. Nähere Informationen zur Gesundheitsvorsorge und zum Pulsoxymetrie-Screening bei Neugeborenen bieten die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Gemeinsame Bundesausschuss G-BA.
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Evaluierung im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses G-BA
Erste Studien sprechen für den Nutzen des Pulsoxymetrie-Screenings. Demnach wurde durchschnittlich bei drei von 10.000 Neugeborenen ein kritischer Herzfehler durch das Früherkennungs-Verfahren festgestellt, der vorher nicht aufgefallen ist. Es besteht daher die berechtigte Hoffnung, dass sich Sterblichkeit und schwere Folgeerkrankungen bei von kritischen angeborenen Herzfehlern Betroffenen durch die flächendeckende Anwendung des Pulsoxymetrie-Screenings weiter verringern lassen.
Im Auftrag des G-BA überprüfen wir daher Qualität und Ergebnisse des Verfahrens mit besonderem Augenmerk auf die Früherkennung von kritischen angeborenen Herzfehlern bei Neugeborenen.
Das Projekt ist in fünf Teile gegliedert, die zusammen das Evaluationsergebnis liefern:
I. Evaluation des Pulsoxymetrie-Screenings bei ca. 55.000 Geburten in stichprobenartig ausgewählten Geburtseinrichtungen und bei Hebammen in der außerklinischen Geburtshilfe in ganz Deutschland.
II. Jahreserfassung aller in Deutschland ab dem 1. April 2021 geborenen Säuglinge mit einem behandlungsbedürftigen angeborenen Herzfehler.
III. Auswertung der Behandlung aller in der „Nationalen Qualitätssicherung angeborener Herzfehler“ erfassten Patienten, die ab dem 1. April 2021 in Deutschland geboren und operativ oder interventionell behandelt werden.
IV. Auswertung der Krankenkassen- und Versorgungsdaten der Barmer GEK.
V. Elternumfrage unter Registerteilnehmern bei rund 7.000 Eltern von Kindern mit angeborenen Herzfehlern unter neun Jahren.
Wir möchten uns schon jetzt bei allen Eltern bedanken, die mit ihren Kindern an der Evaluation des Pulsoxymetrie-Screenings teilnehmen. Über die Ergebnisse halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.
Verantwortlich für das Projekt:
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Dr. med. Ulrike Bauer
Ulrike Bauer ist Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler e. V. und des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler e. V. mehr
Ulrike Bauer hat an der Humboldt-Universität zu Berlin Humanmedizin studiert. Nach ihrer Promotion zur Echokardiographie bei angeborenen Herzfehlern absolvierte sie am Bezirkskrankenhaus in Chemnitz zunächst eine internistische Facharztausbildung bevor sie an das Institut für kardiovaskuläre Diagnostik der Charité Berlin und von dort aus in die Kinderkardiologie des Deutschen Herzzentrums Berlin wechselte. Unter der Leitung von Prof. Dr. Peter E. Lange begann Ulrike Bauer 1997 mit dem Aufbau eines bundesweiten Registers für angeborene Herzfehler. Gemeinsam getragen vom Stiftungsrat des Deutschen Herzzentrums Berlin und den kardiologischen Fachgesellschaften sowie mit Unterstützung durch Eltern- und Patientenverbände ging aus der Initiative von Prof. Dr. Peter E. Lange 2003 der Verein Nationales Register für angeborene Herzfehler e. V. hervor. Im selben Jahr fiel der Startschuss für den aus Mitteln des Bundes finanzierten Aufbau des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler. Ulrike Bauer ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung (DGK), der European Society of Cardiology (ESC), der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) und der Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC).
Kompetenznetz Angeborene Herzfehler e. V.
Netzwerkzentrale
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin -
Dr. rer. nat. Joachim Gerß
Joachim Gerß ist stellvertretender Direktor des Instituts für Biometrie und Klinische Forschung (IBKF) an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.
Westfälische Wilhelms-Universität Münster - Medizinische Fakultät
Institut für Biometrie und Klinische Forschung
Schmeddingstraße 56
48149 Münster