Medizin und Versorgung
Same same but different?
Wie wirken sich angeborene Herzfehler auf die neurokognitive Entwicklung aus?
Wissenschaftlicher Name der Studie
Neurokognitive Entwicklung und gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Patienten mit angeborenem Herzfehler und deren Zwillingsgeschwistern - Same same but different?
Herz und Hirn gehören zusammen. Für unsere Gesundheit ist es entscheidend, dass beide Organe gut miteinander funktionieren. Das Herz sorgt dafür, dass das Gehirn mit genügend Sauerstoff für seine Reifung und die Entwicklung der einzelnen Hirnfunktionen versorgt wird. Das ist entscheidend für unser Überleben und auch für unsere Lebensqualität. Aber wie sieht das bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern aus?
Wie sich die weltweit häufigste angeborene Fehlbildung, ihre Behandlung und eventuelle Folgeerkrankungen auf die Entwicklung des Gehirns und auf die neurokognitiven Funktionen und Fähigkeiten auswirken, ist bis heute noch unzureichend erforscht. Wie verarbeitet das Gehirn im Laufe seiner Entwicklung einen anfänglichen Sauerstoffmangel? Wie reagiert es auf eine Korrekturoperation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine oder die Gabe von überlebensnotwendigen Medikamenten? Und wie wirkt sich die neurokognitive Entwicklung auf die Lebensqualität der Patienten aus?
Das wollen wir mit Unterstützung von betroffenen Eltern und ihren Kindern sowie von jugendlichen und erwachsenen Patienten und deren Zwilling im Rahmen einer breiten Studie genauer herausfinden, um Beratung und Therapie bei angeborenen Herzfehlern entsprechend anpassen und noch besser helfen können.
Wer darf alles teilnehmen?
Eineiige und zweieiige Zwillinge im Alter zwischen 3 und 99 aus dem Nationalen Register dürfen mitmachen, wenn mindestens einer von ihnen einen angeborenen Herzfehler hat. Anmelden können sich auch Patienten und ihre Zwillingsgeschwister, die bisher noch nicht am Register teilnehmen.
Was wir bisher wissen
Dass ein Zusammenhang zwischen angeborenen Herzfehlern und der Entwicklung des Gehirns besteht, ist nachgewiesen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Neugeborene mit angeborenen Herzfehlern häufig mit einer Azidose und niedrigen APGAR-Werten ins Leben starten. Auch konnte belegt werden, dass die neurokognitive Entwicklung bei Patienten nach einer Operation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine im Vergleich zur Kontrollgruppe herzgesunder Menschen beeinträchtigt sein kann.
Gleiche Grundlagen, gleiche Entwicklung?
Nur: Ist die naheliegende Vermutung, dass ein angeborener Herzfehler und dessen Behandlung ursächlich sind für die festgestellten Entwicklungsunterschiede, tatsächlich zutreffend? Im Laufe seiner Reifung durchläuft das Gehirn schließlich vielfältige Entwicklungsstufen und ist dabei verschiedensten Einflüssen auch von außen ausgesetzt. Wie hätte sich dasselbe Kind ohne angeborenen Herzfehler entwickelt? Welchen Anteil haben die beteiligten einzelnen Faktoren wie genetische Veranlagung, individuelle Förderung und das sozioökonomische Umfeld an der neurokognitiven Entwicklung?
Das lässt sich nur auf der Grundlage eines Vergleichs zwischen Patienten mit angeborenen Herzfehlern und gesunden Probanden herausfinden, die die gleichen genetischen Voraussetzungen haben und das gleiche sozioökonomische Umfeld aufweisen. Denn erst eine deutliche Abweichung in den Ergebnissen eines solchen Vergleichs wäre durch den angeborenen Herzfehler erklärbar. Eineiige und zweieiige Zwillinge zwischen 3 und 99 Jahren, von denen mindestens einer einen angeborenen Herzfehler hat, erfüllen die Voraussetzungen dafür, dass wir diesen Fragen auf den Grund gehen können.
Anerkannte Tests
Dazu führen wir mit allen Studienteilnehmern ein paar international anerkannte, jeweils altersgerechte und bewährte Tests durch. Kinder und Jugendliche, die mitmachen wollen und deren Eltern damit einverstanden sind, dürfen spielerisch unterschiedliche, spannende Aufgaben lösen. Da geht es zum Beispiel um das Erraten und Erklären von Wörtern. Wir bekommen so Genaueres über den Teil im Gehirn heraus, der für die Sprache zuständig ist. Beim Lösen von Puzzlespielen und Bilderrätseln erfahren wir mehr über die Fähigkeit des Gehirns zum räumlichen Denken. Und wie flott Kinder und Jugendliche darin sind, Zeichen zu erkennen und zuzuordnen, hilft uns dabei, den IQ zu ermitteln, der Auskunft über die Fähigkeit zum logischen Denken und über die Schnelligkeit des Erfassens von Zusammenhängen gibt. Erwachsene Teilnehmer machen einen ihrem Alter angepassten Intelligenztest und erhalten zur Ermittlung der körperlichen Aktivität einen Fragebogen. Kinder dürfen außerdem ausprobieren, wie gut sie schon im Balancieren, Hüpfen und Werfen sind, wie sie beim Malen und Schreiben mit Stiften umgehen oder wie geschickt sie Perlen auffädeln können und vieles mehr. Das sagt uns dann etwas über die Hirnfunktionen, die für die körperlichen Fähigkeiten wichtig sind.
Wie steht es um die Lebensqualität?
Für die Lebensqualität steht und fällt natürlich alles damit, wie es allen Studienteilnehmern aus ihrer Sicht im Alltag ergeht. Das teilen sie uns in einem jeweils ihrem Alter entsprechenden Fragebogen mit. Denn nur, wenn wir auch ihre Lebensqualität gut einschätzen können, ergibt sich ein neues differenzierteres Bild, das uns dabei hilft, Menschen mit angeborenen Herzfehlern in Zukunft noch besser zu beraten und medizinisch zu versorgen. Dabei erfahren Jung und Alt jede Menge Interessantes und Hilfreiches über ihre neurokognitiven Fähigkeiten. Und Eltern können sich so noch einmal ein genaueres Bild machen vom Entwicklungsstand ihrer Kinder.
Also: Mitmachen lohnt sich! Wir freuen uns auf die Tests mit Ihnen und Euch. Damit Sie keinen allzu großen Aufwand damit haben, reisen unsere Forscherteams in Ihre Nähe. Anmelden können Sie sich mit ihren Kindern über unseren Flyer, den wir Ihnen auf dieser Seite zum Herunterladen zur Verfügung stellen. Und wir halten Sie und Euch natürlich auf dem Laufenden zu unseren Forschungsergebnissen.
Gefördert wird unser Forschungsprojekt durch die Fördergemeinschaft Deutsche Kinderherzzentren e. V.
An dieser Studie teilnehmen
Nähere Informationen und die Hotline zur Teilnahme an der Studie finden Sie in den Teilnahmeinformationen zum Herunterladen.
Wir freuen uns auf Sie!
Verantwortlich für das Projekt:
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Julia Remmele
Julia Remmele, Jahrgang 1982, verantwortet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Herzzentrum München u.a. die Projektleitung des Forschungsprojektes "Same, same, but different". mehr
Die examinierte Physiotherapeutin absolvierte ihren Bachelor of Science in Physiotherapie an der Dresden International University. Für ihren Master of Science 2017 an der Technischen Universität München (TUM) forschte Julia Remmele 2017 zur motorischen Leistungsfähigkeit und gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen mit angeborenen Herzfehlern. Derzeit promoviert sie zum Thema „Neurokognitiver Entwicklungszustand und gesundheitsbezogene Lebensqualität von Patienten mit angeborenem Herzfehler“ an der Technischen Universität München. Seit 2018 gehört sie als Junior Member der Association of European Pediatric and Congenital Cardiology (AEPC) an.
Für ihre Forschungsarbeit "Endangered patients with congenital heart defect during transition. Germany-wide evaluation of medical data from National Register for Congenital Heart Defects (NRCHD)" wurde Julia Remmele 2022 durch die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR) und die Deutsche Herzstiftung mit dem Wissenschaftspreis der Kurt und Erika Palm-Stiftung ausgezeichnet.
Deutsches Herzzentrum München
Klinik für angeborene Herzfehler und Kinderkardiologie
Lazarettstraße 36
80636 München