Genetik
Welche Genmutationen begünstigen HLHS?
Auf der Suche nach dem genetischen Profil
Wissenschaftlicher Name der Studie
Identifizierung neuer Genmutationen bei Patienten mit Hypoplastischem Linksherzsyndrom
Die Herzbildung ist ein staunenswerter Prozess. Das Herz-Kreislauf-System ist das erste funktionsfähige System des Embryos. Schon ab der dritten Woche beginnt es zu arbeiten. Ab der sechsten Woche lässt sich per Ultraschall die embryonale Herztätigkeit beobachten.
An der in mehreren Phasen ablaufenden Bildung des Herzens im Embryonalstadium ist ein hoch komplexes System beteiligt. Die DNA liefert den genetischen Code dazu. Mit der Entschlüsselung dieses „Bauplans“ laufen in den Körperzellen des Embryos wie in einem Uhrwerk unterschiedlichste, miteinander verknüpfte und komplizierte biochemische Prozesse ab, von denen viele im Detail noch nicht aufgeklärt sind. Wissen tun wir jedoch, dass etwa Veränderungen der Erbanlagen von Mutter oder Vater den codierten Bauplan so durcheinanderbringen können, dass die Zelle die im Bauplan enthaltenen Informationen nicht mehr richtig verarbeiten kann. Dann kommt es zu Organfehlbildungen.
Herausfinden, was schiefläuft
Eine solche Organfehlbildung ist das Hypoplastische Linksherzsyndrom (HLHS), bei dem die linke Herzkammer unterentwickelt ist. Die seltene Malformation ist eine der schwersten angeborenen Herzfehlbildungen. Unbehandelt führt sie zum Tod des Neugeborenen. Um die Behandlung der Erkrankung zu verbessern, müssen wir mehr darüber herausfinden, welche Genveränderungen die Organbildung in der Embryonalphase stören, woher sie rühren und welche biochemischen Prozesse in den Zellen schieflaufen und die Gentätigkeit beeinflussen.
Erste Erkenntnisse dank Probenspenden aus dem Register
Diesen Fragen gehen wir jetzt erstmals in einer umfassenden bioinformatischen Untersuchung vorhandener Daten aus Exomsequenzierungen nach. Technologische Fortschritte bei diesem Verfahren und erste Erkenntnisse zu an HLHS beteiligten Genmutationen bilden die Grundlage dafür. Das verdanken wir vor allem auch den Probenspenden von Patienten, Geschwistern und Eltern aus dem Nationalen Register.
Was wir vermuten können
Über die Entstehung angeborener Herzfehler wissen wir heute, dass sie viele verschiedene Ursachen haben. Dazu zählen neben den Genveränderungen auch so genannte epigenetische Faktoren, etwa biochemische Prozesse in den Zellen, die die Aktivität der Gene beeinträchtigen. Grundsätzlich deutet alles darauf hin, dass erst das Zusammenspiel mehrere Gene mit seltenen Mutationen zu der Herzfehlentwicklung führt. Forschungsziel ist es, das genetische Profil herauszuarbeiten, dass die an der Organbildung beteiligten biochemischen Prozesse stört.
Präzise Prognosen, verbesserte Therapie
Unsere bioinformatische Analyse der sequenzierten Daten aus den Probenspenden wird uns dabei helfen, neue bislang unentdeckte, krankheitsrelevante Genmutationen, darunter Single Nucleotide Variations (SNVs), Insertions und Deletions (INDELs) und Copy Number Variations (CNVs) aufzuspüren und so nach und nach das „Gen-Netzwerk“ der angeborenen Herzfehlbildung sichtbar zu machen. Das ist wichtig, um dem komplexen Vererbungsmuster, das hinter dem selten auftretenden HLHS steht, auf den Grund gehen zu können. Unsere große Hoffnung ist es, dass anhand eines solchen genetischen Profils in Zukunft Prognosen über die Herzfunktion getroffen und neue Behandlungsmöglichkeiten entwickelt werden können.
Verantwortlich für das Projekt:
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Prof. Dr. med. Silke Rickert-Sperling
Silke Rickert-Sperling ist Professorin für Kardiovaskuläre Genetik an der Charité - Universitätsmedizin Berlin und arbeitet am Experimental and Clinical Research Center (ECRC) des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC). mehr
Silke Rickert-Sperling hat an der Freien Universität Berlin Humanmedizin studiert, mit Studienaufenthalten in New York, San Diego und an der Mayo Clinic in Rochester. 1998 startete sie parallel zu ihrer Promotion ihre kardiologische Laufbahn als Ärztin in der Kinderkardiologie des Deutschen Herzzentrums Berlin. 1999 ging sie als Postdoc zu Prof. Hans Lehrach an das Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik und etablierte hier die Forschungsgruppe „Kardiovaskuläre Genetik“. Habilitiert wurde Silke Rickert-Sperling 2009 zum Themenbereich Molekularbiologie und Bioinformatik. 2011 erhielt sie ihre Professur für Kardiovaskuläre Genetik an der Charité - Universitätsmedizin Berlin und wechselte an das Experimental and Clinical Research Center des Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC). Prof. Dr. med. Silke Rickert-Sperling gehört als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), der European Society of Cardiology (ESC), der Deutschen Gesellschaft für Humangenetik e. V. (GfH) und der European Society of Human Genetics (ESHG) sowie dem Kompetenznetz Angeborene Herzfehler an.
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Experimental and Clinical Research Center (ECRC)
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