Herzbotschafter

Er hörte meinen Herzschlag und stutzte. Immer wieder.

Barbara mit zwei ihrer Border Collies © Nationales Register | privat

Barbara

Als ich zu früh und viel zu klein auf die Welt kam, ahnte niemand, dass etwas mit mir nicht stimmte.

Der Arzt verordnete mir Beruhigungstabletten.

Alles schien normal. Ich wuchs und entwickelte mich, hatte aber häufig Infekte. Meinen Eltern fiel auf, dass ich entweder schnell erschöpft oder leicht überdreht war. Oft hockte ich mich auf dem Gehweg einfach hin und wollte nicht mehr weiter. Nach ein paar Minuten ging es wieder und ich rannte – solange, bis ich erneut erschöpft war. Meine Mutter sprach mein Verhalten zwar beim Arzt an, der tat das jedoch ab und verordnete mir Beruhigungstabletten.

Noch heute erinnere ich mich an die Angst meiner Eltern.

Erst nach einem Arztwechsel mit vierzehn Jahren kam heraus, dass ich einen angeborenen Herzfehler habe. Bei einer Routine-Untersuchung hörte der neue Kinderarzt etwas länger auf meinen Herzschlag und stutzte. Immer wieder. Und noch mal. Es folgte die Überweisung zur Uni-Klinik. Dort bestätigte sich nach vielen Untersuchungen sein Verdacht: Ich hatte eine Aortenisthmusstenose. Kurze Zeit später folgte die Operation. Noch heute erinnere ich mich an die Angst meiner Eltern, die tiefe Verunsicherung meiner jüngeren Schwester und an meine eigene Angst. Noch nach der Operation war diese Angst da. Obwohl ich doch alles gut überstanden hatte.

Nach der OP schmerzte jeder Atemzug.

Mein Herz hat mir seitdem keine Probleme mehr bereitet. Nur die Narbe: Sie war damals schon über fünfzig Zentimeter lang. Unterhalb der linken Brust läuft sie bis zum linken Schulterblatt hindurch und weiter die Wirbelsäule hoch. Damals nach der OP schmerzte jeder Atemzug. Auch heute kann ich die Narbe ständig spüren. Im Laufe meines Wachstum war sie noch länger geworden und hatte sich schießlich zu einer dicken Keloid-Narbe entwickelt.

Vermutlich wird eine solche Operation heute anders gemacht.

Selbst nach einer Korrektur war sie irgendwann wieder so dick und hart wie vorher. Heute macht mir deshalb meine Wirbelsäule zu schaffen. Durch die Schonhaltung und durch das Verkümmern einiger durchtrennter Muskeln hat sie sich stark verdreht. Das bereitet mir massive Bandscheibenprobleme und häufige Schmerzen. Vermutlich wird eine solche Operation heute anders gemacht.

Heute feiere ich am Tag meiner Operation immer meinen zweiten Geburtstag.

Aber: Es war ein tolles Gefühl, wieder an morgen denken und Pläne für die Zukunft schmieden zu können! Ich lebe. Und das nicht mal schlecht. Ohne Operation hätte ich eine Lebenserwartung von höchstens achtzehn Jahren, hatten damals die Ärzte prophezeit. Heute feiere ich am Tag meiner Operation immer meinen zweiten Geburtstag.

Ich betrachte jeden Tag als Geschenk.

Mein größtes Glück, das ist mein Sohn! Er ist gesund. Mich hat fasziniert, wie bei ihm schon lange vor der Geburt das Herz per Feindiagnostik auf einen eventuellen Herzfehler untersucht worden ist. Durch meine Erfahrungen mit der Krankheit betrachte ich jeden Tag als Geschenk. Ich züchte Border Collies und freue mich an meinen Pferden. Der Umgang mit den Tieren fordert aber auch all meine Kraft. Ich muss mich immer wieder zwingen, sorgsam mit ihr zu haushalten. Auf andere mache ich einen starken und selbstbewussten Eindruck. Unter der Oberfläche verbirgt sich jedoch noch immer ein über das geschenkte Leben staunendes, mitunter ängstliches kleines Mädchen. Vielleicht gibt es ja noch andere mit ähnlichen Erfahrungen? Ich freue mich, wenn meine Geschichte Mut und Trost geben kann.

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