Karla Völlm, Ehrenkonsulin der Westfälischen Wilhelms-Universität, unterstützt mit ihrer „EMAH Stiftung Karla Völlm“ die medizinische Forschung und Versorgung für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern., WWU | Thomas Mohn © WWU | Thomas Mohn

Herzerforscher - Extra | Interview

Die Mäzenin der Herzmedizin

Im Gespräch mit Karla Völlm

Ohne den Einsatz der „EMAH Stiftung Karla Völlm“ wäre in der Versorgung und Erforschung angeborener Herzfehler vieles nicht möglich. Für ihr Engagement wurde Karla Völlm mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Doch es ist ein Lebenswerk, das immer wieder unter Druck gerät.

Aufmerksamer Blick, feste Stimme, klare Ansagen und jede Menge Energie. Wer Karla Völlm begegnet, weiß sofort, dass er es mit einer Frau zu tun hat, die viel verlangt und hart zu arbeiten weiß. Mit ihrer „EMAH Stiftung Karla Völlm“ hat die engagierte Stifterin und Ehrenkonsulin der Westfälischen Wilhelms-Universität für die spezialisierte Behandlung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern, kurz EMAH, das Überregionale EMAH-Zentrum am Universitätsklinikum Münster aufgebaut. Für ihr Engagement wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Zahlreiche Fortschritte in der medizinischen Versorgung von Patienten mit angeborenen Herzfehlern wären ohne ihren Einsatz schlicht nicht denkbar.

Herzerforscher-Magazin: Seit über dreißig Jahren engagieren Sie sich für Patientinnen und Patienten mit angeborenen Herzfehlern. Sie haben 1989 mit dem Deutschen Kinderherzzentrum St. Augustin eine der ersten zentralen Versorgungsinstitutionen für die Patienten geschaffen und mussten 30 Jahre später erstmals vehement für den Erhalt der Kinderkardiologie und des von ihnen ermöglichten EMAH-Zentrums am Universitätsklinikum Münster streiten. „Eine angefangene Arbeit, die nicht zu Ende gebracht ist, ist wie nicht gemacht“, haben Sie damals gemahnt. Müssen wir uns Sorgen machen, dass wichtige Aufbauarbeiten ins Leere laufen?

Karla Völlm: Diese Sorge habe ich in der Tat, wenn wir uns die aktuelle Entwicklung in der medizinischen Versorgung und in der Forschung anschauen. Fehlende Fachkräfte, zunehmend überlastete Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte, ein Vergütungssystem für medizinische Leistungen, das den besonderen Anforderungen an die Versorgung von Kindern und Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern kaum gerecht wird, eine mangelhafte staatliche Forschungsförderung: Die Liste der Faktoren, die unsere Aufbauarbeit gefährden, ist lang.

Die Forschung spielt eine Schlüsselrolle.

Herzerforscher-Magazin: Bevor wir hier tiefer einsteigen: Warum liegt Ihnen die Forschung auf dem Gebiet der Erwachsenen mit einem angeborenen Herzfehler so am Herzen?

Karla Völlm: Ich war schon in jungen Jahren vom Fachgebiet der Medizin fasziniert und ich bin selbst Mutter einer Tochter mit angeborenem Herzfehler. Ich habe erlebt, was das für Eltern und Kinder bedeutet, das Bangen und Leiden vor und nach einer Operation, das tägliche Bemühen darum, einem kleinen Menschen seiner Grunderkrankung zum Trotz ein eigenständiges und erfülltes Leben zu ermöglichen. Meine Tochter kam 1981 zur Welt. Der medizinische Fortschritt hat ihr ein zweites Mal das Leben geschenkt. Dafür sind wir unendlich dankbar. Erst allmählich ist uns dabei auch klargeworden, was es heißt, dass unsere Tochter einer weitgehend unbekannten Patientengruppe angehört. Bis in die siebziger Jahre sind ja die meisten noch an einem angeborenen Herzfehler verstorben. Gerade für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern klaffte da auf einmal eine riesige Versorgungslücke. Die Erwachsenenkardiologen waren ja nun mal eher auf erworbene Herzfehler spezialisiert. Und das hat mich motiviert, einen Beitrag dazu zu leisten, diese Versorgungslücke zu schließen. Die Forschung spielt eine Schlüsselrolle dabei.

Ein angeborener Herzfehler ist heute in vielen Fällen kein zwingender Grund, sich massiv einzuschränken.

Herzerforscher-Magazin: Inzwischen gibt es bundesweit auf Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern spezialisierte Zentren und Ärzte. Die Forschung auf dem noch jungen Forschungsgebiet hat bis heute in vielen Fällen eine deutlich verbesserte Früherkennung und Therapie ermöglicht.

Karla Völlm: Es ist tatsächlich in großen Schritten vorangegangen seit den neunziger Jahren. Das spiegelt sich auch in der deutlich gestiegenen Lebenserwartung und Lebensqualität der Betroffenen wider. Ein angeborener Herzfehler ist heute in vielen Fällen kein zwingender Grund, sich massiv einzuschränken. Viele Herzpatienten führen ein weitgehend normales Leben. Sie gehen zur Schule, absolvieren eine Ausbildung, besuchen die Universität, üben einen Beruf aus, gründen eine Familie. Das wäre ohne spezialisierte Versorgung und ohne Forschung nicht möglich. Dazu zählt auch, dass mit dem Kompetenznetz und dem Nationalen Register für angeborene Herzfehler überhaupt entscheidende Voraussetzungen dafür geschaffen wurden, angeborene Herzfehler gut erforschen zu können.

Herzerforscher-Magazin: Woran muss aus Ihrer Sicht in naher Zukunft in erster Linie geforscht werden und warum?

Karla Völlm: Was dringend ergründet werden muss, sind, neben den Ursachen, die besonderen Risiken, die langfristig für Menschen mit angeborenen Herzfehlern durch Folgeerkrankungen und bei Krankheiten entstehen können, von denen auch viele herzgesunde Menschen im Laufe ihres Lebens betroffen sind. Und hier bietet uns gerade der digitale Fortschritt ganz neue Möglichkeiten, die Forschung auf Grundlage des Registers voranzutreiben durch Anwendungen aus der künstlichen Intelligenz.

Da werde ich auch mal ungeduldig.

Herzerforscher-Magazin: Im Rahmen einer von Ihnen geförderten Studie hat das Forscherteam um den EMAH-Spezialisten Paul-Gerhard Diller vom Universitätsklinikum Münster gerade herausgefunden, dass sich solche Risiken heute mit Hilfe von Deep Learning Algorithmen sehr rasch und zuverlässig ermitteln lassen. Bis solche Ergebnisse in der Praxis ankommen, muss trotzdem noch viel geforscht werden. Enttäuscht Sie manchmal, dass es so lange dauert bis Forschungsergebnisse wirklich auch in eine verbesserte Versorgung münden?

Karla Völlm: Ach (lacht), das enttäuscht mich weniger. Das lernt man irgendwann, dass Fortschritte, ganz gleich auf welchem Gebiet, nicht so schnell ins Haus flattern wie ein online bestelltes Produkt. Ich mache den Vergleich in voller Absicht. Ich komme ja noch aus dem analogen Zeitalter. Auf etwas zu warten habe ich gelernt. Ich finde es auch gar nicht verkehrt, Dingen Zeit zu geben. Im Gegenteil! Ich sorge mich heute eher darum, dass wir verlernen, dass manche Dinge dauerhaft eine hohe Aufmerksamkeit erfordern. Forschung braucht konzentrierte Arbeit und Kontinuität. Sie verlangt nach einem langen Atem und nach entsprechend kontinuierlicher Förderung. Sie braucht viel Zeit. Und davon haben die meisten Ärztinnen und Ärzte inzwischen zu wenig. Wenn ich feststelle, dass wir uns hier durch Fehlsteuerungen in der Gesundheitspolitik oder in der Forschungsförderung unnötig behindern, dann werde ich auch mal ungeduldig.

Wir müssen das öffentliche Bewusstsein schärfen.

Herzerforscher-Magazin: Wenn wir hier noch einmal auf Ihre lange Liste der Hindernisse zurückkommen: 2018 ist es Ihnen gelungen, den damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn als Schirmherr für das EMAH-Zentrum in Münster zu gewinnen. Zuvor kursierten Nachrichten über eine drohende Schließung der Kinderkardiologie am Universitätsklinikum Münster wegen fehlender finanzieller Mittel und Personalmangels. Das konnte abgewendet werden, auch weil Sie sich mit prominenter Unterstützung für den Erhalt der renommierten Kinderherzmedizin in Münster stark gemacht haben. Was muss geschehen, damit auch die Forschung auf dem Gebiet der angeborenen Herzfehler weitergehen kann?

Karla Völlm: Ich glaube, wir müssen vor allem das öffentliche Bewusstsein dafür schärfen, dass Kinder und Erwachsene mit angeborenen chronischen Erkrankungen auf die Unterstützung durch die Gemeinschaft angewiesen sind und von der Gesellschaft nicht zurückgelassen werden dürfen. Gesundheit ist für sie wie für alle anderen Menschen ein Menschenrecht. Das steht in unserem Grundgesetz. Das ist auch verbindlicher Bestandteil der UN-Kinderrechtskonvention.

Herzerforscher-Magazin: Woran hapert es in Deutschland konkret?

Karla Völlm: Ich nenne Ihnen zwei Beispiele. Die Behandlung gerade von kleinen Kindern erfordert viel Zeit und Geduld. Auch die besondere Behandlung von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern verlangt nach intensiver Betreuung. Abgesehen davon, dass wir dringend Anreize und verlässliche Rahmenbedingungen brauchen, um Fachkräfte auch aus dem Ausland zu gewinnen: Werden die Fallpauschalen in unserem Vergütungssystem dem gerecht? Wir sehen, dass das nicht der Fall ist. Für die Kliniken ist das ökonomisch hoch problematisch. Und für die Forschung beobachten wir einen ähnlich ungünstigen Effekt. Bei der registerbasierten Forschung, die minderjährige Patienten einschließen muss, sind zurecht hohe Standards einzuhalten, um die Patientensicherheit zu gewährleisten. Diese Forschung ist wichtig und sie leistet Großes für die Herzmedizin insgesamt. Aber sie ist aufgrund der strengen Auflagen ungeheuer aufwändig. Die Industrie als potenziellen Drittmittelgeber schreckt das eher ab. Und private Förderer allein werden das nicht finanzieren können. Da ist der Staat also dringend gefragt, sich mit seinen Förderrichtlinien besser darauf einzustellen.

Herzerforscher-Magazin: Frau Völlm, wir danken Ihnen für das Gespräch.


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