PD Dr. med. Fabian Kari ist Kinderherzchirurg am Universitäts-Herzzentrum Freiburg-Bad Krozingen., Uniklinikum Freiburg | Britt Schilling © Uniklinikum Freiburg | Britt Schilling

Herzerforscher - Extra | Interview

Herausforderung komplexe TGA

Im Gespräch mit dem Kinderherzchirurgen Fabian Kari

Was ist eine komplexe TGA? Wie wird sie korrigiert? Und was bedeuten die unterschiedlichen OP-Verfahren langfristig für die Patienten? Dazu haben wir im Video-Gespräch den Kinderherzchirurgen Fabian Kari befragt.

Herzerforscher-Magazin: Herr Dr. Kari, herzlich willkommen! Schön, dass es Ihr OP-Plan zulässt und Sie sich die Zeit für unser Gespräch nehmen. Um Sie unseren Leserinnen und Lesern kurz ein wenig vorzustellen: Sie haben von 2003 bis 2010 in Freiburg Medizin studiert, waren als wissenschaftlicher Mitarbeiter ein Jahr in New York und nach ihrem Doktor für die klinische Forschung ein Jahr an der Stanford University. Wieder in Freiburg zurück, haben Sie an der Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie in Freiburg Ihre Ausbildung zum Facharzt für Herzchirurgie absolviert und sich anschließend am Kinderherzzentrum der New Yorker Columbia University im Rahmen eines Fellowship-Programms weiter auf Kinderherzchirurgie spezialisiert. Seit 2019 arbeiten Sie als Herzchirurg wieder am Universitäts-Herzzentrum Freiburg. Vor einem Jahr haben Sie sich habilitiert. Das Thema angeborene Herzfehler hat in ihrer Berufslaufbahn als Herzchirurg und bei ihren Forschungsthemen eine große Rolle für Sie gespielt. Warum? Gab es einen bestimmten Auslöser?

Fabian Kari: Das eigentlich nicht. Aber ich fand die Kinderherzchirurgie schon immer mit am interessantesten in der Herzchirurgie. Eine angeborene Herzfehlbildung bei einem Neugeborenen führt oft zu einer ganz anderen Kreislaufsituation und stellt uns auch vor gänzlich andere chirurgische Probleme als ein Erwachsener mit erworbener Herz-Kreislauf-Erkrankung. Von einer notwendigen frühen Korrektur hängt ein ganzes langes Leben ab. Und was mich an der chirurgischen Therapie besonders fasziniert ist, wie groß der Effekt ist. Die Verbesserung nach der OP führen uns die kleinen Patienten unmittelbar vor Augen, schon auf der Intensivstation. Und gerade auch die Arbeit mit den Kindern und ihren Eltern ist schon etwas ganz besonders Schönes.

PD Dr. med. Fabian Kari im Video-Gespräch mit dem Herzerforscher-Magazin. © Kompetenznetz Angeborene Herzfehler
PD Dr. med. Fabian Kari im Video-Gespräch mit dem Herzerforscher-Magazin.

Für die Kinderherzchirurgie benötigt man schon einen längeren Ausbildungsweg.

Herzerforscher-Magazin: Wie viele Kinderherzen operieren Sie in Freiburg an einem Tag?

Fabian Kari: Wir operieren etwa ein Kinderherz pro Tag. Hinzu kommen täglich mehrere Katheteruntersuchungen und -interventionen, die durch die Kollegen der Kinderkardiologie durchgeführt werden. Unser Regelbetrieb umfasst auch die Chirurgie für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern, die ja glücklicherweise auch immer älter werden und sich dann mit ganz anderen Problemen zeigen.  Und bei der Behandlung von Erwachsenen im Rufdienst sehen wir natürlich auch die Notfälle, was in der Kinderherzchirurgie zwar auch mal vorkommen kann, aber eher selten ist.

Herzerforscher-Magazin: Was ist aus Ihrer Erfahrung heraus anspruchsvoller, die Operation am Kinderherzen oder die am Herzen eines Erwachsenen?

Fabian Kari: Die Kinderherzchirurgie zählt schon zu den anspruchsvollen Bereichen, aber man kann nicht verallgemeinern, dass sie die anspruchsvollere ist. Bei Herzchirurgie denken viele an ein kleines Fachgebiet. In Wirklichkeit ist es ungeheuer breit. Wir operieren den Säugling genauso wie den 90-Jährigen und haben es vom angeborenen Herzfehler bis zur erworbenen Herzerkrankung mit einem breiten Spektrum sehr unterschiedlicher Krankheitsbilder zu tun. Allerdings ist die Kinderherzchirurgie ein Bereich, in den man sich sehr viel intensiver einarbeiten muss. Um sich hier sicher zu bewegen, benötigt man schon einen längeren Ausbildungsweg. Das erfordert viel spezielles Wissen, das einem dann aber teilweise auch in der Herzchirurgie für Erwachsene zugutekommt. Insofern kam mir nach meiner Facharztausbildung auch das Fellowship Programm an der Columbia University noch einmal sehr entgegen. In so einem großen Kinderherzzentrum sieht man auch seltene angeborene Herzfehler in größerer Zahl und kann so wertvolle Erfahrung sammeln. Eine der ersten Rastelli-Operationen bei einem Kind mit komplexer TGA habe ich an der Columbia erlebt.

Der VSD ist per se nicht schlecht für Kinder mit TGA.

Herzerforscher-Magazin: Ein angeborener Herzfehler wie eine TGA ist für die betroffenen Eltern sicher zuerst einmal ein Schock. Was sagen Sie ihnen? Wie gut lässt sich der angeborene Herzfehler heute behandeln? Was bedeutet das in der Regel für die Lebenserwartung und die Lebensqualität?

Fabian Kari: Dazu muss ich vielleicht vorausschicken: Die ersten Gespräche mit den Eltern führen ja die Kolleginnen und Kollegen, die die vorgeburtliche Diagnostik leiten, also spezialisierte Gynäkologen und Kinderkardiologen. Was ich den Eltern aber immer sage ist, dass – wenn bei der OP alles nach Plan verläuft, und in den allermeisten Fällen trifft das zu – die Lebenserwartung und auch die Lebensqualität für ihr Kind fast normal sein werden. Komplikationen tauchen eher selten und wenn, dann meist am Anfang während der OP oder direkt danach auf. Aber wenn das einmal überwunden ist und die Kinder zuhause sind, dann entwickeln sie sich in der Regel ganz prima und werden ganz normal groß.

Herzerforscher-Magazin: Ist die komplexe TGA schlimmer als eine TGA?

Fabian Kari: Nein, das hört sich vielleicht so an. „Komplex“ klingt erst einmal nach „schwierig“ oder nach „schwer medizinisch zu versorgen“. Aber der Begriff bedeutet lediglich, dass noch andere Organveränderungen dazu kommen. Ganz ohne Wertung. Es gibt die simple TGA, die deshalb nicht unbedingt einfacher ist. Und dann gibt es die komplexe TGA, bei der zum Beispiel ein VSD und eine LVOTO vorliegen. Und der VSD ist per se nicht schlecht für die Kinder, sondern am Anfang sogar überlebenswichtig. TGA-Patienten mit VSD haben als Neugeborene sogar etwas bessere Ausgangschancen. Nur stellen VSD und LVOTO die Chirurgen dann vor besondere technische Herausforderungen.

Herzerforscher-Magazin: Inwiefern?

Fabian Kari: Das Grundproblem bei der Transposition ist, dass der Lungen- und der Körperkreislauf parallel ablaufen anstatt hintereinander. Die beiden Kreisläufe arbeiten nebeneinander vor sich hin. Das ist so ziemlich das ineffizienteste Kreislaufsystem aus zwei Kreisläufen das man sich vorstellen kann. Es muss zu einer Vermischung der beiden Kreisläufe kommen, sonst gelangt das sauerstoffreiche Blut nicht dorthin, wo es hinsoll, und es kann den Körper und seine Organe nicht mit Sauerstoff versorgen. Deshalb muss es Stellen geben, wo eine Durchmischung stattfinden kann. Und der VSD ist zwar nicht die beste, aber wenigstens eine Stelle, an der die Durchmischung erfolgen kann.

Wir haben Checklisten und Sicherheitsnetze.

Herzerforscher-Magazin: Wann wird so eine komplexe TGA erkannt? Stellt man das schon bei den Routineuntersuchungen in der Schwangerschaft fest? Oder stellt sich das unter Umständen erst bei der Operation heraus?

Fabian Kari: Die TGA zählt zu den Herzfehlern, die sich beim Ultraschall in der Schwangerschaft vergleichsweise leicht diagnostizieren lassen. Die Fehlstellung der Arterien ist in der Regel sehr gut erkennbar. Normalerweise umarmen sich die Arterien, sie „vertwisten“ sich. Bei der TGA ist das nicht so. Und sobald der Verdacht da ist, guckt der Arzt auch ganz genau nach weiteren möglichen Fehlbildungen.

Herzerforscher-Magazin: „Sie erleben also keine Überraschungen.“ © Kompetenznetz Angeborene Herzfehler
Herzerforscher-Magazin: „Sie erleben also keine Überraschungen.“

Herzerforscher-Magazin: Sie erleben also keine Überraschungen?

Fabian Kari: Im OP ist das extrem selten. Wir fangen auch gar nicht erst an, bevor wir nicht alle detaillierten Informationen für den OP-Plan, für die Art der OP haben. Das läuft heute bei uns ähnlich wie im Cockpit beim Fliegen. Wir haben Checklisten und Sicherheitsnetze. Selbst nach Narkosebeginn wird über die Speiseröhre noch einmal ein Ultraschall gemacht. Und erst wenn dann alles bestätigt ist, legen wir los.

Der Eingriff ist heute weit weniger traumatisierend für den Körper als er das früher war.

Herzerforscher-Magazin: Seit wann ist die TGA überhaupt operabel und welche unterschiedlichen OP-Verfahren gibt es?

Fabian Kari: Bereits in den fünfziger Jahren hat man darüber gesprochen, dass man versuchen könnte, das Blut auf Vorhofebene so umzuleiten, so dass das venöse Blut über die jeweils verkehrten Herzkammern in die richtigen Arterien geleitet wird. So eine Vorhofumkehr-Operation hat der schwedische Herzchirurg Åke Senning in Stockholm Ende der fünfziger Jahre das erste Mal erfolgreich durchgeführt. Daher stammt der Name Senning-OP.

Herzerforscher-Magazin: Die Senning-OP und auch die Mustard-OP, die beide auf der Vorhofumkehr beruhen, zählen heute aber nicht mehr zu den Standards?

Fabian Kari: Genau. Man hat festgestellt, dass solche Vorhofumkehr-Operationen nicht ohne Probleme sind. Wenn die rechte Herzkammer, die eigentlich darauf ausgerichtet ist, den Lungenkreislauf zu unterhalten, den gesamten Körperkreislauf unterhalten muss, dann geht das eine Weile gut, aber irgendwann ist sie dann überfordert und dann kommt es zu Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche. Inzwischen hat sich die arterielle Switch-Operation durchgesetzt. Der „Umtausch“ der Arterien ist ja eigentlich das Naheliegende. Nur war das lange dadurch vereitelt, dass mit den Arterien auch die Herzkranzgefäße versetzt werden müssen, die bei einem Baby noch sehr fein und anfällig sind.

Herzerforscher-Magazin: Für so einen filigranen Vorgang verfügen Sie heute wahrscheinlich auch über ganz andere Instrumente und Materialien als sie damals noch im Einsatz waren?

Fabian Kari: Das spielt ganz sicher eine Rolle. Nicht zuletzt aus den Erzählungen älterer, langjährig erfahrener Kollegen weiß ich, dass sich die Instrumente, die Fäden, die Materialien und natürlich auch die gesamte chirurgische Technik deutlich weiterentwickelt haben. Bis hin zur Herz-Lungenmaschine. Der ganze Eingriff ist heute sicherlich weniger traumatisierend für den Körper, als er es vor einigen Jahrzehnten noch war.

Dafür braucht man ein Register.

Herzerforscher-Magazin: Sie haben kürzlich in einer ersten Langzeitstudie untersucht, wie die langfristigen Risiken und Patienten nach den unterschiedlichen OP-Verfahren aussehen? Wie kam es zu der Studie?

Fabian Kari: Der Auslöser war, dass schon noch Unklarheit darüber besteht, welche OP-Technik die bessere ist, wenn ein Patient für verschiedene OPs in Frage kommt. Wir haben ja schon über die Vorhof-Umkehr gesprochen. Die ist nun heute nicht mehr der Standard, die muss man hier also ein wenig ausklammern. Aber die Rastelli-Operation, die REV und auch die Nikaidoh-Operation konkurrieren durchaus miteinander. Da gibt es verschiedene Meinungen.

Herzerforscher-Magazin: Ist das etwas Ungewöhnliches?

Fabian Kari: Es gibt nicht so viele Bereiche in der Kinderherzchirurgie, bei denen verschiedene Therapieansätze angewendet werden und diskutiert werden. Es gibt heute ungefähr 120 Standardeingriffe, die sind relativ klar definiert. Bei der Mehrzahl weiß man, wie welches Krankheitsbild behandelt werden sollte. Der Anspruch an die Qualität der Therapie ist grundsätzlich sehr hoch. Aber es gibt eben noch Grenzbereiche, wie beispielsweise das Verfahren bei einer komplexen TGA, da herrscht noch Uneinigkeit. Und bei so einer seltenen Fehlbildung reicht es nicht aus, zwei, drei Kollegen zu fragen und sich deren Meinung einzuholen.

Herzerforscher-Magazin: Sie meinen, es sind einfach nicht genügend Fälle, um das aus der eigenen Praxis heraus zuverlässig beurteilen zu können?

Fabian Kari: So ist es. Und es wäre auch extrem aufwändig, die Daten von Patienten aus unterschiedlichen Kliniken erst zusammen holen zu müssen. Dafür braucht man dann so ein Register wie das Nationale Register, das die Daten vieler Patienten über einen langen Zeitraum sammelt und erfasst. Deshalb haben wir uns für die Studie in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Register entschieden. Um zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen, brauchten wir eine ausreichend große möglichst homogene Patientengruppe. Und ein weiterer entscheidender Vorteil des Registers sind die kontinuierlich über einen langen Zeitraum erfassten medizinischen Daten der Nachverfolgung. Je länger die Nachverfolgungszeit und je größer und homogener die Kohorte, desto verlässlicher sind die Ergebnisse und desto mehr Klarheit gewinnen wir auch.

Herzerforscher-Magazin: Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen? Was war das für Sie wichtigste Ergebnis?

Fabian Kari: Wenn es einen Standard gibt, auf den sich die meisten einigen können, dann ist das die Rastelli-Operation. Und mit am interessantesten für mich war es zu sehen, dass die Rastelli-Operation nicht nur mit vielen Re-Operationen verbunden ist, was die Verbindung zwischen rechtem Ventrikel und Pulmonalarterie angeht, das wussten wir schon, sondern dass es hier auch zu für die OP weniger spezifischen Re-Operationen kommt. Die Patienten mussten sich teilweise drei bis vier Mal einem weiteren Eingriff unterziehen. Trotzdem ist die Sterblichkeit relativ gering, obwohl solche Eingriffe sehr anspruchsvoll sind. Bei einem Register, das auf freiwilliger Teilnahme beruht, muss natürlich immer davon ausgegangen werden, dass nicht alle verstorbenen Patientinnen und Patienten erfasst sind. Die Sterblichkeit könnte also möglicherweise etwas höher liegen. Dennoch ist das grundsätzlich ein erfreuliches Resultat.

  • Forschungsergebnis

    Verlauf und Risiken nach OP bei komplexer TGA

    Langzeitstudie schafft mehr Klarheit

    Heute lässt sich auch eine komplexe TGA immer besser operieren. © iStockphoto.com | plola 666
    Heute lässt sich auch eine komplexe TGA immer besser operieren.

    Noch vor 40 Jahren bedeutete eine TGA ein sicheres Todesurteil. Dank des medizinischen Fortschritts lässt sich die angeborene Vertauschung der großen Arterien heute gut korrigieren. Das ist auch dann der Fall, wenn die TGA mit einem Ventrikelseptumdefekt (VSD) und einer Einengung des Ausflusstraktes des linken Ventrikels (LVOTO) einhergeht.

    Das Vorliegen einer solchen „komplexen TGA“ stellt die Kinderherzchirurgie jedoch vor besondere technische Herausforderungen. Eine erste Studie zeigt: Gemessen an der Schwere des Herzfehlers ist das Sterberisiko gering, selbst bei mehreren Wiederholungsoperationen. Zugleich machen neuere OP-Techniken Hoffnung auf verbesserte Langzeitergebnisse.

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Der Körper erhält mehr Spielraum, selbst zu heilen.

Herzerforscher-Magazin: Warum kommt es zu den häufigen Re-Operationen? Hängt das mit den eingesetzten tierischen und künstlichen Materialien und dem Körperwachstum zusammen? Die tierischen Materialien halten vermutlich nicht ewig und eingesetzte Kunststoffe wachsen nicht mit?

Fabian Kari: Ja, das ist ein Teil der Antwort. Um den VSD zu verschließen und gleichzeitig eine Art Umgehung zu schaffen, bei der das Blut wie durch einen Tunnel von der linken Herzkammer in die richtige Arterie umgeleitet wird, setzt man Flicken, so genannte Patches aus Kunststoff ein. Und die sind anfällig für wiederkehrende Verengungen oder für undichte Stellen. Das ist alles selten, aber nicht so selten, dass man das vernachlässigen kann. Insgesamt haben fast alle Patienten Re-Operationen gebraucht, nicht nur wegen des Materials.

Herzspezialist Fabian Kari: „Was mich beeindruckt ist die Sicherheit, mit der diese Operationen durchgeführt werden.“ © Kompetenznetz Angeborene Herzfehler
Herzspezialist Fabian Kari: „Was mich beeindruckt ist die Sicherheit, mit der diese Operationen durchgeführt werden.“

Und was mich dabei wirklich beeindruckt hat ist die Sicherheit, mit der diese Operationen durchgeführt werden. Ein weiteres interessantes Ergebnis war, dass die neueren Verfahren Nikaidoh und REV beide sehr vielversprechend sind, die REV aber im zeitlichen Verlauf deutlich weniger nötige Re-Operationen nach sich zog als die Nikaidoh-Operation.

Herzerforscher-Magazin: Was ist der Vorteil bei dem neueren Verfahren REV?

Fabian Kari: Die REV lässt sich schon im Neugeborenen- oder Kleinkindalter durchführen. Für die Rastelli-OP braucht der VSD eine gewisse Größe. Hier gilt, je älter und größer das Kind ist, desto besser für die OP. Die chirurgische Erfahrung zeigt aber auch: Alles, was man schon im Neugeborenenalter versorgen kann, bringt was das Wachstum von Strukturen angeht oft gute Ergebnisse. Und bei der REV gibt es keine technischen Gründe, die einen zwingen zu warten bis das Kind älter oder größer ist. Ein weiterer Vorteil bei der REV ist die Nativgewebekontinuität zwischen rechter Herzkammer und Lungenarterie. Die sorgt dafür, dass kein tierisches Material oder Material aus Kunststoff dazwischengeschaltet werden muss, sondern bildet praktisch eine Art Straße gibt, entlang derer körpereigenes Gewebe wachsen kann.

Herzerforscher-Magazin: Bedeutet das, dass hier die Selbstheilungskräfte des Körpers stärker aktiviert werden?

Fabian Kari: Ja, genau, das könnte man so sagen. Der Körper erhält mehr Spielraum, selbst zu heilen. Letzten Endes muss die Heilung bei allen chirurgischen Verfahren immer aus dem Körper heraus geschehen. Anders funktioniert das gar nicht. Wir können dem Körper nur „sagen“, dass etwas hier einwachsen oder dort größer werden soll, aber den Rest muss der Körper selber machen.

Man muss sehr vorsichtig sein, mit der Deutung von solchen Studien.

Herzerforscher-Magazin: Wenn das eigene Kind betroffen ist und es bestehen verschiedene Möglichkeiten der Operation: Was empfiehlt sich da jetzt auf Grundlage der Studie? Das ist ja sicherlich nicht einfach.

Fabian Kari: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Man muss sehr vorsichtig sein, mit der Deutung von solchen Studien. Wir haben hier Verfahren verglichen, die unterschiedlich lange im Einsatz sind und nicht für jeden Patienten gleichermaßen in Frage kommen. Die Daten liefern uns zwar gute Anhaltspunkte dafür anzunehmen, dass neben den lange bewährten Verfahren insbesondere die REV sehr vielversprechend ist. Wir können die Verfahren aber noch nicht eins zu eins vergleichen.

Herzerforscher-Magazin: Es wäre also nicht richtig, den Schluss daraus zu ziehen, dass die REV das beste Verfahren sein könnte?

Fabian Kari: Nein. Wir haben gesehen, dass die Ergebnisse unabhängig vom Verfahren und den jeweils notwendigen Re-Operationen für einen hohen medizinischen Standard sprechen und die Sterblichkeit verhältnismäßig gering ist. Den vielversprechenden Ergebnissen bei der REV müssen wir aber noch näher auf den Grund gehen. Die Entscheidung für ein OP-Verfahren hängt tatsächlich von so vielen Faktoren ab. Das muss individuell von Fall zu Fall geprüft werden.

Herzerforscher-Magazin: Das bedeutet, dass das Nationale Register in ein paar Jahren auch für eine Folgestudie wichtig werden könnte, bei der die Ergebnisse der REV im Vergleich noch einmal genauer geprüft werden können?

Fabian Kari: Unbedingt. Ohne diese Einrichtung wären solche Studien gar nicht möglich und auch bei diesem Thema lohnt es sich, im Interesse der Patientinnen und Patienten und ihrer Eltern dranzubleiben.

Herzerforscher-Magazin: Herr Dr. Kari, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 


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