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Medizin und Versorgung

Verlauf und Risiken nach OP bei komplexer TGA

Langzeitstudie schafft mehr Klarheit

Wissenschaftlicher Name der Studie

Repair of Complex Transposition of Great Arteries: Up to 30 Years of Follow-up

Noch vor 40 Jahren bedeutete eine TGA ein sicheres Todesurteil. Dank des medizinischen Fortschritts lässt sich die angeborene Vertauschung der großen Arterien heute gut korrigieren. Das ist auch dann der Fall, wenn die TGA mit einem Ventrikelseptumdefekt (VSD) und einer Einengung des Ausflusstraktes des linken Ventrikels (LVOTO) einhergeht.

Das Vorliegen einer solchen „komplexen TGA“ stellt die Kinderherzchirurgie jedoch vor besondere technische Herausforderungen. Eine erste Studie zeigt, was die Korrektur mittels unterschiedlicher Verfahren langfristig für das Risiko bedeutet, sich erneut einem Eingriff unterziehen zu müssen oder gar an der angeborenen Fehlbildung zu versterben. Die gute Nachricht: Gemessen an der Schwere des Herzfehlers ist das Sterberisiko gering, selbst bei mehreren Wiederholungsoperationen. Zugleich machen neuere OP-Techniken Hoffnung auf verbesserte Langzeitergebnisse.

Diagnose TGA-LVOTO

Bei etwa jedem zehnten bis zwanzigsten Kind, das mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt kommt, besteht eine TGA. Bei etwa einem Drittel liegt zusätzlich ein Ventrikelseptumdefekt (VSD) vor, der in diesem Fall dabei hilft, den Blutkreislauf aufrecht zu erhalten. Bei gut einem Viertel der hiervon betroffenen Patientinnen und Patienten, darunter doppelt so viele Jungen wie Mädchen, ist der Ausflusstrakt des linken Ventrikels verengt. Diese Verengung nennt sich abgekürzt LVOTO.

Fünf verschiedene nach und nach entwickelte Operationsverfahren retten den Betroffenen seit den späten siebziger Jahren das Leben. Dabei wird die zunächst gängige Vorhof-Umkehr-Operation nach Mustard oder Senning inzwischen nur noch selten durchgeführt. Heute kommen je nach Beschaffenheit von TGA, VSD und LVOTO vor allem die arterielle Switch-Operation, die Rastelli-Operation, die Nikaidoh-Operation und die Reparation a l'etage ventriculair, kurz REV, zum Einsatz.

Übersicht der Operationsverfahren bei einer komplexen TGA. Zu sehen sind auch die jeweiligen Ebenen im Herzen, an denen die verschiedenen Techniken ansetzen. © Universitäts-Herzzentrum Freiburg | PD Dr. med. Fabian Kari
Übersicht der Operationsverfahren bei einer komplexen TGA. Zu sehen sind auch die jeweiligen Ebenen im Herzen, an denen die verschiedenen Techniken ansetzen.

Die Langzeitrisiken der verschiedenen Operationsverfahren konnte das Forscherteam um den auf angeborene Herzfehler spezialisierten Herzchirurgen Fabian Kari vom Universitäts-Herzzentrum Freiburg jetzt erstmals im Rahmen einer multizentrischen Studie untersuchen. Die medizinischen Daten der Langzeitverläufe von 139 im Nationalen Register angemeldeten TGA-VSD-LVOTO- Patienten bildeten die Grundlage dafür.

Gute Forschungsbasis ermöglicht verlässliches Ergebnis

Dabei werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Daten zu Diagnosen, OPs und Interventionen aus einem Nachbeobachtungs-Zeitraum von zusammengerechnet rund 1.700 Patientenjahren aus. „Das ist in dieser Form einmalig und nur dadurch möglich, dass die Daten kontinuierlich über einen langen Zeitraum durch das Nationale Register gesammelt werden konnten. Die Patientinnen und Patienten waren zwischen 1968 und 2016 in 15 verschiedenen deutschen Zentren behandelt worden. Ohne die verlässliche zentrale Erfassung ihrer Daten durch das Register wäre eine solche Studie nicht durchführbar,“ sagt Fabian Kari.

Hohe Langzeit-Überlebensrate

Deren Ergebnisse sprechen offenbar für die hohe Qualität der medizinischen Versorgung auf diesem Gebiet in Deutschland. Trotz des komplexen Herzfehlers liegt die Überlebensrate nach dreißig Jahren um 80 Prozent, und zwar unabhängig von der OP-Methode. „Das ist angesichts der Schwere der Diagnose erfreulich“, stellt Fabian Kari fest.

Dennoch sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch auf Unterschiede gestoßen. „Wir fanden einen Trend hin zu einem Überlebensvorteil nach den neueren OP-Methoden Nikaidoh und vor allem REV. Die zunehmend eingesetzte REV-Prozedur zieht Stand heute offenbar die wenigsten Re-Operationen nach sich.“ In 64 Prozent der Fälle war nach erfolgreicher REV-Korrektur bislang kein weiterer Eingriff nötig.

Risiko Re-Operation

Bis das Herz arbeitet wie es soll, sind nach dem ersten lebensrettenden Eingriff, der in der überwiegenden Zahl bereits im Säuglingsalter vorgenommen wird und bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern laut Studie in über 90 Prozent der Fälle erfolgreich erfolgt, verschiedene Folge-Operationen erforderlich. Später sind unter Umständen auch wiederholte Eingriffe nötig. Dazu geben die Studienergebnisse jetzt genauere Auskunft.

„Der Goldstandard Rastelli-OP führte häufiger zu einer Re-Operation. Das war erwartbar, weil das eingesetzte tierische Material nicht unbegrenzt hält “, erläutert der Herzchirurg Fabian Kari. Auch das bei diesem Verfahren geschaffene künstliche Verbindungsstück vom linken Ventrikel zur Hauptschlagader müsse mit dem Körperwachstum manchmal erneuert werden. Jedoch zeige die Studie auch, dass es vermehrt zu „unerwarteten“ Re-Operationen komme. Der Grund dafür seien zum Beispiel wieder auftretende Ausflusstrakt-Einengungen.

Gute Ergebnisse bei der REV-Prozedur

Das Fazit der Wissenschaftler: „Mit der REV haben wir in den vergangenen fünf Jahren gute Ergebnisse erzielt. Das Spannende hier ist die Aktivierung der Selbstheilungskräfte durch die Verbindung mit körpereigenen Materialien. Bislang sehen wir, dass der Körper im Wachstum hervorragend damit zurechtkommt“, fasst Fabian Kari zusammen.

Die Forscher hoffen, mit der REV auch langfristig die besseren Ergebnisse erzielen zu können. Gewissheit werden sie aber erst dann haben, wenn sich die Ergebnisse des jüngeren OP-Verfahrens REV, das heute neben der bewährten Rastelli-OP immer häufiger zum Einsatz kommt, auch über einen längeren Zeitraum bestätigen. Es wird also nicht die letzte Langzeitstudie mit dem Nationalen Register gewesen sein.


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